Bei der Suche nach Fachkräften wird die Bildung einer Arbeitgebermarke, „Employer Brand“, zu einer zentralen Aufgabe für Unternehmen, sagt Trendforscher Prof. Peter Wippermann. Im Interview gibt er Tipps, wie Handwerksunternehmen eine solche Arbeitgebermarke entwickeln.
Handwerksunternehmen brauchen Nachwuchs. Ein zentraler Baustein, um geeignete Fachkräfte zu finden, ist die „Employer Brand“. Sie ist ein Thema beim Vortrag des Hamburger Trendforschers Peter Wippermann auf der DACH+HOLZ International, die vom 28. bis 31. Januar 2020 in Stuttgart stattfindet. Warum eine Arbeitgebermarke notwendig ist und wie sie aufgebaut wird, erklärt er vorab anlässlich der Pressekonferenz zur DACH+HOLZ International.
Was ist Employer Branding?
Es ist immer das Bemühen der Handwerksbetriebe gewesen, ein attraktives Unternehmen zu sein und sich nach außen auch so darzustellen. Bisher kannten wir das im Marketing über die Produkte und Services gegenüber den Kunden, heute überträgt man diese Marketingidee unter dem Stichwort „Employer Branding“ auf das Unternehmen als Arbeitgeber, um attraktiv für neue und bestehende Mitarbeiter zu sein.
Warum ist das auf einmal so wichtig?
Auf dem Arbeitsmarkt haben sich Angebot und Nachfrage neu sortiert: Es gibt mehr Stellenangebote als qualifizierte Arbeitnehmer. Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften. Da ist es wichtig, bei potenziellen Mitarbeitern weit oben im Ranking zu stehen.
Ist ein Handwerker vor Ort nicht ohnehin schon eine Brand, eine Marke?
Bei den Kunden vielleicht, aber nicht bei potenziellen Arbeitnehmern, bei Schulabgängern oder Menschen, die aus einer anderen Stadt kommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen in ihrem direkten Umfeld neue Mitarbeiter finden, steigt nicht, sie nimmt ab.
Wie findet man die passende Marke für sich und sein Unternehmen? Indem man sich fragt warum man diesen Job macht und warum man sein Unternehmen erfolgreich machen will. Was treibt mich an, was liebe ich an dieser Tätigkeit? Wofür steht mein Betrieb, was ist an ihm attraktiv? Da gibt es natürlich ganz unterschiedliche Antwortmöglichkeiten: Es kann handwerkliche Qualität sein, eine bestimmte Innovation oder die Unternehmenskultur. Gerade im Handwerk reicht es nicht zu sagen, ich mache das nur, um Geld zu verdienen. Denn da stehe ich in direkter Konkurrenz zu Unternehmen, in denen das vielleicht leichter ist oder bei denen ich weit mehr Geld verdienen kann.
Was würden Sie als Handwerksunternehmer in den Vordergrund stellen?
Im Handwerk gibt es, traditionell gesehen, die Möglichkeit, Dinge händisch zu fertigen, Aufgaben auch digital zu lösen und das fertige Ergebnis zu erleben. Hinzu kommen wichtige Werte wie Vertrauen. Denn im Handwerk haben wir häufig Familienunternehmen. Das heißt, die Person, die den Betrieb führt, ist oft auch die Kernidee der Marke. Bisher wird das bei Handwerksunternehmen wenig nach außen getragen und viel zu selten genutzt.
Das bedeutet, die Persönlichkeit ist ein Vorteil?
Viele Unternehmen sind heute sehr anonymisiert. Es ist für junge Berufsanfänger nicht so attraktiv, wenn sie im Grunde keine Vorstellung haben, wo und bei wem sie sich bewerben. Die menschliche Dimension ist in Handwerksunternehmen oft viel mehr vorhanden.
Welche weiteren Werte sind heutzutage für Arbeitnehmer wichtig?
Für viele ist wichtig, dass das tägliche Arbeiten nicht monoton ist, dass sie eine gewisse Art Freiheit und Verantwortung innerhalb der Arbeit haben. Dass man Kollegen hat, mit denen man gerne zusammenarbeitet, mit denen man Erfahrungen austauschen kann, aber gleichzeitig Teams, die in ihrer Zusammensetzung nicht für alle Zeiten festgelegt sind. Letztlich geht es darum, kooperativ zu arbeiten. Die klassische Top-Down-Struktur ist für junge Arbeitnehmer nicht mehr so attraktiv.
Muss man denn nun seinen ganzen Betrieb ändern, um für die nächste Generation angesagt zu sein?
Nein. Wer sich verbiegt, verliert seine Identität und das ist auch nicht sinnvoll. Es geht vielmehr darum, zu zeigen, warum man etwas gerne tut und warum man es toll finden würde mit jungen Menschen Projekte zu realisieren. Und ja, es ist wichtig, die Jungen anzusprechen – auch wenn Unternehmen momentan keine Schwierigkeiten haben, Aufträge zu bekommen und das Problem vor sich herschieben können. Die bestehenden Mitarbeiter werden aber eben nicht jünger. Und so kommt irgendwann der Punkt, an dem man eine Belegschaft hat, die für junge Mitarbeiter einfach nicht mehr attraktiv ist. Unternehmen brauchen eine gute Durchmischung, vom Alter, von den Kenntnissen, von den Nationalitäten her.
Wie aufwändig ist es, eine „Employer Brand“ zu schaffen?
Im Prinzip genügt ein Wochenende. Eines, an dem man sich frei macht von den Dingen, die alltäglich erledigt werden müssen. Man muss darüber nachdenken, womit man bisher zufrieden ist, was man weglassen sollte und wo man hin will mit seinem Betrieb. Fragen, die helfen können, die eigene Marke zu entwickeln, sind: Was ist das Besondere an meinem Beruf? Bin ich interessiert daran, neue Technologien zu integrieren? Wie ist mein Verhältnis als Führungsperson zu den Mitarbeitern? Wie autonom können sie arbeiten? Wie steht es um Themen wie Umweltschutz, Klimawandel, soziale Verantwortung?
Wenn man dann die Marke hat, wie trage ich die nach außen?
Ganz wichtig: Man hat keine Marke, sondern eine Marke entsteht. Das heißt, dass man aktiv werden muss und erzählen, was man macht, wie man es macht, wie erfolgreich man ist und weshalb man Spaß an der Arbeit hat. Die Möglichkeiten, das zu erzählen, in Bildern und Videos zu zeigen, sind durch die sozialen Netzwerke viel größer geworden. Denn sie bieten die Chance, mit den Adressaten direkt in Kontakt zu treten. Es gibt tolle Beispiele, wie das im Handwerk fantastisch umgesetzt wird: Metzgermeister Steffen Schütze von der Metzgerei Hack in Freising oder aus dem Bauhandwerk Karl Preiser aus Augsburg, um nur zwei zu nennen.
An Social-Media-Plattformen geht demnach kein Weg vorbei?
Man muss dort präsent sein, wo sich die zukünftigen Mitarbeiter gerne aufhalten. Natürlich sollte man sich überlegen, welches Medium zum Unternehmen und den jeweiligen Zielen passt: WhatsApp und andere Messenger-Dienste, Instagram, YouTube oder meinetwegen auch noch Facebook. Es kommt auch darauf an, wo sich das Unternehmen wohlfühlt. Wenn es wichtig ist, eine sehr junge Zielgruppe zu erreichen, kann man auch Tiktok-Kurzvideos veröffentlichen. Das sollte man dann aber auch so hinbekommen, wie es dort üblich und beliebt ist.
Welche Rolle könnten Auszubildende dabei spielen?
Sie könnten solche Aufgaben übernehmen und in den sozialen Netzwerken über ihr Lieblings-Projekt berichten. Das Schöne an diesen Netzwerken ist: Es kostet nichts außer die eigene Zeit – und vielleicht die Initiative und die Lust der Mitarbeiter, dabei mitzumachen.
Was ist mit der eigenen Unternehmenswebsite?
Bei jungen Menschen verliert die einzelne Website an Bedeutung und sie aus den sozialen Netzwerken dorthin zu locken, ist schwierig. Wir haben heute einen ungeheuren Informations- und Unterhaltungsüberfluss. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ein Netzwerk verlässt, um auf eine einzelne Seite abseits zu gehen, ist eher gering. Interessant für Unternehmen sind andere Möglichkeiten wie „Google My Business“. Auch dort lassen sich einfach und relativ detailliert Informationen veröffentlichen.
Gehören auch Dinge wie Arbeitssicherheit, Digitalisierung im Betrieb wie der Einsatz von Drohnen, Building Information Modeling etc. zum Employer Branding, mit dem Handwerksbetriebe punkten können?
Sie gehören immer mehr dazu. Falls ein Unternehmen solche Technologien anwendet oder Werkzeuge nutzt, ist es absolut sinnvoll, darüber zu berichten. Wenn ein Dachdecker präsentiert, wie er mit Drohnen arbeitet, ist das für viele mit Sicherheit spannend und zeigt, dass das Unternehmen mit der Zeit geht.