Zimmerer bauen die Fachwerkwände zusammen
Die Meisterklasse aus Reutlingen konnte die Abbundmaschine des Zimmererzentrums in Biberach nutzen, um die Hölzer für den Pavillon zuzuschneiden. Probeweise bauten sie die Wände zusammen. (Quelle: Tobias Rager)

Technik 5. April 2023 Fachwerkfiguren für die Gartenschau

Fachwerkkonstruktion Eine Meisterklasse aus Reutlingen hat gemeinsam mit Auszubildenden aus Balingen einen Pavillon für die Gartenschau in Baden-Württemberg erstellt. Dieser zeigt den Besuchenden der Gartenschau traditionelle Figuren aus dem süddeutschen Fachwerkbau.

Der Holzbau hat auf Gartenschauen inzwischen seinen festen Platz. Brücken, Türme oder Gebäude in Holzbauweise bereichern Jahr für Jahr die neu gestalteten Parkanlagen – so auch in Balingen, wo die Gartenschau von Baden-Württemberg vom 5. Mai bis zum 24. September 2023 stattfindet. Eines der hölzernen Projekte fertigte eine Meisterklasse des Zimmerhandwerks der Kerschensteinerschule gemeinsam mit Auszubildenden des Zimmerhandwerks der Philipp-Mathäus-Hahn-Schule in Balingen. Angeleitet wurde das Projekt von den Lehrkräften Tobias Rager und Daniel Lutz aus Reutlingen und Harald Schäfer aus Balingen.  

Die jeweilige Meisterklasse aus Reutlingen führt in jedem Jahr ein praktisches Projekt aus. Idealerweise kann es im Sinne des Gemeinwohls weitergenutzt werden (siehe auch Der Zimmermann 6–7.2015 und 01.2019). Bereits im Herbst 2021 nahm Tobias Rager Kontakt zu der Stadt Balingen auf, um vorzuschlagen, dass sich der Zimmermeisterkurs mit einem Holzbauprojekt an der Gartenschau beteiligt. Und tatsächlich entwickelten die Beteiligten eine Idee, wie sich die Meisterklasse einbringen könne. Auf dem Gelände der Gartenschau soll ein kleiner Handwerkermarkt entstehen, auf dem sich auch das Balinger Haus der Volkskunst in einem Pavillon präsentieren möchte. Diesen Pavillon zu bauen wurde das Projekt der Meisterschüler und Auszubildenden. Es gab vonseiten der Auftraggeber nur wenige Vorgaben. Der Grund soll sich über eine Fläche von 7,50 m × 7,50 m ausbreiten, die Höhe 3,00 m betragen. Entwurf, Planung und Ausführung oblagen der Schülerschaft und sollten lediglich mit dem Team, das die Gartenschau organisiert, abgestimmt werden.

Historische Verbände für das Fachwerk

Die Lehrer gaben nur eine Vorgabe. Da auf dem Markt traditionelle Handwerkskünste vorgestellt werden, sollte passend dazu eine Fachwerkkonstruktion entstehen, in der sich traditionelle Fachwerkfiguren wie das Fünferkreuz, das Schwäbische Weible oder der Wilde Mann wiederfinden.  

Das Fünferkreuz zeichnet sich dadurch aus, dass sich in ihm eine Raute mit einem X-förmigen Kreuz, dem Andreaskreuz, verbindet. Beim Schwäbischen Weible laufen von einem mittleren Pfosten im oberen und im unteren Drittel beidseitig Kopf- bzw. Fußbänder nach schräg oben zum Rähm bzw. schräg unten zur Fußschelle. Der schwäbische Wilde Mann ist ebenfalls mit einem mittleren Pfosten konstruiert. Bei ihm laufen Streben beidseitig nach unten zur Fußschelle und nach oben zum Rähm. Die Streben, die nach oben verlaufen, beginnen im unteren Drittelspunkt des Pfostens und die Streben, die nach unten verlaufen, im oberen Drittelspunkt. Deshalb schneiden sich die Streben beidseitig und müssen geblattet werden. Selbstverständlich wurden auch für alle anderen Verbindungen traditionelle Fachwerkverbindungen eingesetzt.

Die Meisterklasse plante und schnitt zu

Anfang 2022 begann die Vorplanung, und die erforderlichen Genehmigungen wurden eingeholt. Jeder der 24 Gesellen erstellte einen Entwurf als dreidimensionale CAD-Konstruktion mit einer CAD-Werkplanung. Die Gartenschauleitung wählte schließlich aus den Entwürfen für die Umsetzung den von André Walz aus Bernstadt aus, einen Fachwerkpavillon mit fünf Außenwänden und einer Innenwand. Die Wände werden verglast, damit die Fachwerkkonstruktion zu sehen ist und nicht hinter einer Bekleidung versteckt wird.

Bei einem Ortstermin in Balingen nahm die Meisterklasse mithilfe eines Laserscans die Umgebung auf, visualisierte den Entwurf und erstellte die Werks-, Abbund- und Montageplanung. Im Herbst 2022 ging es dann nach Biberach in das Zimmererzentrum, wo die erforderlichen Hölzer mithilfe einer Abbundmaschine zugeschnitten werden konnten.

Die Azubis bauten auf

Die fertige Fachwerkkonstruktion wurde in ihren Einzelteilen an die Philipp-Mathäus-Hahn-Schule in Balingen geschickt. Denn nun arbeiteten die Auszubildenden weiter. Sie bauten die Fachwerkkonstruktion zusammen und machten ein Aufmaß für die Dachdeckung und die Verglasung. Anschließend nahmen sie die Konstruktion wieder auseinander, um sie bis April einzulagern. Denn dann wird, pünktlich zu Beginn der Gartenschau, die Meisterklasse aus Reutlingen gemeinsam mit den Auszubildenen aus Balingen den Fachwerkpavillon auf dem Gelände der Parkanlage aufbauen und mit der Dachdeckung und der Verglasung versehen. Nach dem Ende der Gartenschau wird das Gebäude dem Haus der Volkskunst in Balingen überstellt und dort im Garten als schützender Unterstand weiter genutzt werden können.

Rendering der Umgebung mit Haus und Bäumen, dazwischen steht ein §D Modell des Fachwerkpavillons.
Eine Punktewolke der Umgebung wurde mit einem Laserscanner erstellt. Darin setzen die Meisterschüler ein 3D-Modell des Gewinnerobjekts. (Quelle: André Walz)

Nachtrag: Die Gartenschau kann beginnen

Ende März wurde der Pavillon auf dem Gelände der Gartenschau aufgestellt. Die Lehrer und Ausbilder haben den Vorgang fotografiert und uns die BIlder zur Verfügung gestellt. Für die Printausgabe von Der Zimmermann 3.2023, in der dieser Artikel auch erscheint, kamen sie zu spät. Hier im Onlineartikel kann gezeigt werden, wie der Aufbau ablief. Ab dem 5. Mai kann die Gartenschau — inklusive des Fachwerkpavillons — in Balingen besucht werden. Einmal wird der Pavillon dann noch bewegt werden. Nach dem Ende der Gartneschau kommt er in den Garten des Hauses der Volkkunst, wo er als Wetterschutz dienen wird.

Eine Gruppe Zimmerleute verlegt Hilfsschwellen und richtet sie mit Hilfe eines Nivelliergerätes
Der Standplatz des Pavillons wird eingemessen und nivelliert, Montageschwellen werden verlegt. Diese werden mit Dübel und Anker im Boden befestigt. (Quelle: Tobias Rager)
Ein Traktor lädt die Fachwerkwände vom LKW ab.
Die Fachwerkwände werden mit Hilfe eines Traktors vom LKW abgeladen. (Quelle: Tobias Rager)
Ein Holzbalken mit eingefrästem Logo der Kerschensteinerschule in Reutlingen
Das eingefräste Logo der Kerschensteinerschule in Reutlingen schmückt einen der Holzträger. (Quelle: Tobias Rager)
Der Pavillon wird mit seinen Fachwerkwänden aufgebaut.
Auszubildende des 3. Lehrjahrs von der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule – Gewerbliche Schule Balingen bauen gemeinsam mit einer Abordnung der neuen Meisterklasse aus Reutlingen den Pavillon auf. Uber die Blende ist die Schwelle des Pavillons an der Montageschwelle auf Zug gesichert. (Quelle: Tobias Rager)
Gruppenbild vor dem Pavillon.
Der Pavillon ist fertig, die Meisterschüler und Berufsschüler zusammen mit den Verantwortlichen auf einem Gruppenbild. Die Verantwortlichen unten von links: Anette Stiehle, technische Geschäftsführung der Gartenschau Balingen, Carolin Lenzser, Fachbereich Ausstellung, Tobias Rager Ausbildungsmeister Kerschensteinerschule Reutlingen, Daniel Lutz, Kerschensteinerschule Reutlingen und Harald Schäfer Philipp-Mathäus-Hahn-Schule, Balingen. Außerdem achte person von links: Anette Stoll-Zeitler, Leitung Ausstellung und Betrieb der Gartenschau Balingen. (Quelle: Tobias Rager)
zuletzt editiert am 06.04.2023