Holz-Beton-Verbund Mit dem Kirchlichen Zentrum im Münchner Stadtteil Haidhausen betreibt die Erzdiözese München und Freising einen Bildungscampus, bei dem das Thema Nachhaltigkeit im Vordergrund steht. Die neu hinzugekommene Franziskus-Grundschule ist daher größtenteils aus Holz gebaut. Die Decken entstanden als Holz-Beton-Verbundkonstruktion.
Im Zentrum von München-Haidhausen, im sogenannten Franzosenviertel, hat die Erzdiözese München und Freising mit dem Kirchlichen Zentrum einen Bildungscampus geschaffen, auf dessen Gelände täglich mehrere tausend junge Menschen lernen und leben: Ein Gymnasium gehört dazu, eine Fachoberschule, eine Stiftungshochschule für soziale Berufe – und seit Kurzem ergänzt eine zweizügige Grundschule das Bildungsangebot. Mit der „Erzbischöflichen Franziskus-Grundschule“ hat die Bauherrin einen Ort konzipiert, der sich nicht nur als Schulraum sieht. Vielmehr wollte und will die Erzdiözese damit einen Lebensraum gestalten, in dem sich jedes Kind bestmöglich entfalten kann. Das Planungsgutachten dafür ließ das Ordinariat von h4a Gessert + Randecker Generalplaner GmbH erstellen. Die Architektur stammt von hirner & riehl architekten und stadtplaner bda partg mbb.
Nachhaltige Materialwahl
Ein Schwerpunkt der trapezförmigen, langgestreckten Anlage liegt auf den Themen Nachhaltigkeit und Ökologie. Dieser Gedanke drückt sich auch in der Wahl des Materials und der Konstruktion des Schulneubaus aus. Das komplette Gebäude wurde in Massivholzbauweise aus Brettsperrholz in Kombination mit Holz-Beton-Verbunddecken (HBV) realisiert. Nur in den Fluchttreppenhäusern kam gestockter Beton hinzu.


Veränderte Lernkultur bedingt verändertes Grundrisskonzept
Die Grundrissstruktur des Gebäudes spiegelt den Wunsch nach einer veränderten Lernkultur wider, in der der Unterricht über Tandems aus Lehrer:innen und Erzieher:innen erfolgt und die Schulkinder einen ansprechenden Raum zum individuellen und gemeinsamen Lernen finden. Diesem Ansatz folgend, haben ihre Planer, die „Hirner & Riehl Architekten Stadtplaner bda partg mbb“ die Erzbischöfliche Franziskus-Grundschule als Clusterschule mit einem offenen Zentrum gestaltet. So entstand die langgestreckte außergewöhnliche Rautenform des Gebäudes.
Clusterschule mit Chilling-Areas
Das in der Gebäudemitte erschlossene Erdgeschoss nimmt – rechts vom Haupteingang – die Verwaltung mit den Lehrerzimmern auf. Auf der linken Seite befinden sich die Kindermensa und ein Mehrzweckraum, der sich zum zentralen Foyer hin öffnen lässt. Darin befindet sich auch das zentrale, über eine Lichtkuppel mit Tageslicht beschienene Treppenhaus. Dieses führt weiter nach oben in den jeweils in zwei Cluster unterteilten, zweigeschossigen Unterrichtsbereich. Alle Klassenzimmer sind miteinander verbunden und gruppieren sich rings um eine sogenannte Chilling-Area. Dort können die Kinder zu zweit oder in Kleingruppen lernen und sich nach und zwischen den Unterrichtseinheiten im Gebäudezentrum zum Reden, Spielen oder einfach Ausruhen zurückziehen. Lehrerstützpunkte und Lehrmittel, im Kernbereich zudem Sonderräume z. B. für Kunst oder besondere Fördermaßnahmen sowie ein Tagesheim ergänzen die Lernlandschaft.
Holzmassivbau mit grüner Fassade
Als Dreigeschosser gehört die Schule noch zur Gebäudeklasse 3 und musste daher keine besonderen Brandschutzvorschriften erfüllen. So konnten in den Obergeschossen fast alle Holzoberflächen als Sichtoberflächen gestaltet werden. Die Decken mit ihren Vor- und Rücksprüngen sowie Auskragungen und die mit Sparren gestaltete Dachkonstruktion blieben ebenfalls unverkleidet. Als Basis der Wände dient grundsätzlich eine Brettsperrholzkonstruktion, die an den Fassaden mit einer Pfosten-Riegel-Konstruktion mit Zwischendämmung, einer zusätzlichen Lage Weichfaserplatten sowie Lattung, Konterlattung und einer klassischen Boden-Deckel-Schalung komplettiert wurde. Mineralische Farbbeschichtung verleiht der gesamten Fassade des Neubaus einen grünlichen Farbton, der perfekt mit der umgebenden Natur harmoniert. Im Sinne einer zügigen Montage wurden alle Brettsperrholzelemente vorgefertigt. Nur die Fassade wurde vor Ort gebaut.
HBV-Decken und Blechdach
Die Basis für die Decken und das Dach bilden Brettsperrholzplatten. Oberhalb des letzten Obergeschosses wurden diese mit einer klassischen Pfettendachkonstruktion kombiniert. Die Wände dienen als Auflager. Als Deckung wurden Blechbahnen auf einer Holzschalung verbaut. Für die HBV-Decken wurden die Brettsperrholzelemente stattdessen mit einer Betonschicht kombiniert und später mit einem Heizestrich und Fußbodenbelägen komplettiert.
Schritt 1: hydrophobieren
Mit der Ausführung der HBV-Decke beauftragte die Erzdiözese den HBV-Spezialisten Elascon GmbH. Zum Einsatz kam eine Lösung, in der die Schubverbindung über Kerven in Kombination mit lastabhebenden Sicherungsschrauben erfolgt. Bei dieser Variante wird der Beton direkt auf das Holz bzw. in die Kerven gegossen. Um eine Wechselwirkung der beiden Materialien während der Betonage zu verhindern, behandelten die HBV-Spezialisten die gesamte Fläche daher zunächst mit dem Hydrophobierungsmittel ElascoCure 3in1. Dieses Mittel auf Acryldispersionsbasis schließt die Holzporen und versiegelt sie damit.
Passmarken setzen
Vor dem anschließenden Vergießen des Betons „haben wir dem Gewölbe folgend mit Tellerkopfschrauben Passmarken gesetzt, um den Betonverlauf jederzeit auch optisch kontrollieren zu können“, beschreibt Holger Rupprecht, Geschäftsführer der Elascon GmbH, den nächsten Arbeitsschritt. Die mittig in der Lamellenunterkonstruktion platzierten Tellerkopfschrauben erfüllten noch einen zweiten Zweck: Sie dienten während der Betonage als konstruktive lastabhebende Sicherung.

Betonage
Im Anschluss wurde die so vorbereitete Gesamtfläche bewehrt und in zwei je 1000 m2 großen Bauabschnitten betoniert sowie mit ElascoCure 3in1 nachbehandelt. Dieses Mal diente die Sprühfolie als Verdunstungsschutz, um ein zu schnelles Austrocknen des Betons zu verhindern. „Da das Schulprojekt nur eine maximale Tagesleistung von 500 m2 erlaubte, haben wir die täglich betonierte Fläche am Abend jeweils an einer statisch nicht relevanten Stelle einmal abgestellt“, erinnert sich Rupprecht. Am folgenden Tag wurde von dieser Stelle aus weitergearbeitet und der jeweilige Bauabschnitt fertiggestellt.

Maßgeschneiderte Betonrezeptur für HBV-Kervenkonstruktion
„Wir haben unsere Betonrezeptur im Vorfeld zudem exakt auf diesen Anwendungsfall eingestellt. Dazu haben wir uns eng mit Cemex Deutschland abgestimmt“, fährt der Geschäftsführer fort. Der Plan sah für das Holztragwerk 6 cm Überhöhung vor, wobei die Betonschicht die Krümmung der Holzplatten ebenfalls abbilden musste. Der Rohbeton durfte daher nicht zu fließfähig sein, da er sich sonst selbst nivelliert hätte. Gleichzeitig durfte er nicht zu steif sein, da die Holzkerven entsprechend den statischen Anforderungen einer HBV-Kervenkonstruktion formschlüssig gefüllt werden mussten. Für einen schwindarmen Beton wird im Normalfall zudem eine Rezeptur verwendet, die sehr wenig Zement enthält. Muss der Beton jedoch über einen 100 m langen Pumpweg eingepumpt werden – wie es bei der Erzbischöflichen Franziskus-Grundschule der Fall war, erfordert die Rezeptur Schwindstoffe. Nur so ist garantiert, dass das Material auch am Ende des Pumpwegs noch verarbeitbar ist.

Vom Probemuster zum Erfolgserlebnis
Der HBV-Spezialist und der Betonhersteller entwickelten daher gemeinsam eine Rezeptur, die den erforderlichen Zementanteil mit Schwindreduzierern kombiniert, sodass das geforderte Schwindmaß trotz erhöhten WZ (Wasserzementwerts) eingehalten werden konnte und somit alle Ansprüche gleichermaßen erfüllt wurden. Um die Fließfähigkeit dieses Betons im Vorfeld zu testen, wurde sogar ein Probemuster mit 100 m Pumpweg im Werk konzipiert. Das Verarbeitungsergebnis übertraf die Erwartungen sogar noch. Weder beim Test noch später traten Frühschwindrisse auf.
Zusammen zum Erfolg: Beton- und HBV-Hersteller und die Zimmerei
„Wir haben mit unserer Rezeptur gezeigt, dass man einen pumpfähigen Beton konzipieren kann, der quasi die Quadratur des Kreises erlaubt“, zieht Rupprecht die Bilanz dieser erfolgreichen Zusammenarbeit, an der auch die Obermeier Holzbau GmbH als ausführendes Holzbauunternehmen maßgeblich beteiligt war. Für die Montagearbeiten sei eine enge und intensive technologische und logistische Abstimmung mit der Zimmerei absolut unerlässlich gewesen, betont Rupprecht. Obermeier übernahm nicht nur alle vorbereitenden Maßnahmen, er wickelte auch die Baustellenlogistik für das gesamte Bauvorhaben ab. Er sorgte dafür, dass in und rings um die Geschosse, in denen jeweils betoniert wurde, großflächige Bau- und Bewegungsfreiheit gegeben war. Er stellte Ablagestellen für die Bewehrung bereit, organisierte Kräne für notwendige Transporte ins Haus und sorgte dafür, dass die Betonpumpe einen geeigneten Standort fand. Zudem bereitete er mit den eigenen Handwerkern die notwendigen Anschlüsse an aufgehende Betonteile vor und stellte auch noch zwei Mann für die Reinigung der Kerven ab. „Späne oder Klebereste müssen vor der Betonage der Brettsperrholzdecke unbedingt entfernt werden. Insbesondere die Kerven müssen absolut sauber sein. Sonst ist keine tragfähige Verbindung garantiert“, erzählt Rupprecht als ein Beispiel einer Zusammenarbeit, bei des das gemeinsame Ziel während der gesamten Bauzeit im Vordergrund stand.