Ein Holzbaustein
Bild 1: Vintage oder Second-Hand funktioniert nicht nur in der Mode, sondern auch im Holzbau. Denn die sogenannten Briqs werden aus Kalamitätsholz, Industrieholz oder eben auch Gebrauchtholz hergestellt. (Quelle: Triqbriq AG)

Technik 14. September 2023 Holzbau goes Vintage

Holzbausystem Ein neues Massivholzbausystem hat den Anspruch, kreislauffähig zu sein. Es besteht aus mikromodularen Holzbausteinen. Diese werden mit Robotertechnik aus Holz hergestellt, dem damit eine weitere Nutzung ermöglicht wird – beispielsweise aus rückläufigem Bauholz oder kostengünstigem Industrie- und Kalamitätsholz. Wie das System funktioniert, was mit ihm möglich ist und welche Projekte derzeit umgesetzt werden, erfahren Sie in diesem Artikel.

Das Bauwesen ist laut Bundesumweltamt der ressourcen- und müllintensivste Wirtschaftssektor in Deutschland. Die Branche ist verantwortlich für 60 Prozent des globalen Abfalls und 40 Prozent des globalen CO2-Ausstoßes. Die Bau- und Immobilienwirtschaft muss eine ökologische und bezahlbare Bauwende vollziehen, gleichzeitig aber den enormen Zahlen an gefordertem Wohnraum gerecht werden. Dabei sind vor allem nachhaltige und kreislauffähige Materialinnovationen entscheidend.

Genau da möchte die Triqbriq AG mit ihrem gleichnamigen Massivholzbausystem ansetzen. Das System besteht aus mikromodularen Holzbausteinen – den sogenannten Briqs (Bild 1). Diese werden mit Robotertechnik aus kostengünstigem Industrie- und Kalamitätsholz hergestellt. Auch „Second-Hand-Holz“, etwa rückläufiges Bauholz, kommt dabei zum Einsatz und wird wiederverwendet.

Die einzelnen Briqs (Bild 2) werden auf der Baustelle im Verband aufeinander gesteckt und über Buchenholzdübel miteinander verriegelt. Am Ende der Nutzungsphase eines Gebäudes können die Holzbausteine sortenrein entnommen und vollständig wiederverwendet werden. Damit möchte das Unternehmen eine ganzheitlich nachhaltige und kreislauffähige Alternative zu konventionellen Baustoffen bieten.

Eine Explosionszeichnung eines Holzbausteins
Bild 2: Ein Holzbaustein setzt sich aus mehreren Kanthölzern zusammen, die mit Buchenholzdübeln miteinander verbunden werden. Das System verfügt über die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung /allgemeine Bauartgenehmigung Z-9.1-907. (Quelle: Triqbriq AG)

Praktische Anwendung

Das System verfügt über die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung /allgemeine Bauartgenehmigung Z-9.1-907 „Triqbriq Massivholzbausystem – Wandelemente unter Verwendung der Massivholz-Bausteine Briq 30, Briq 60 und Briq 240“. Gemäß der Zulassung dürfen die Holzbausteine in den Nutzungklassen 1 und 2 für die Herstellung von Wandelementen verwendet werden, für die die Verwendung von Vollholz gemäß DIN EN 1995-1-1 in Verbindung mit DIN EN 1995-1-1/NA zulässig ist. Die Länge beträgt 300 mm (Briq 30), 600 mm (Briq 60) oder 2.400 mm (Briq 240), Breite und Höhe betragen immer 300 mm. Laut Unternehmen befindet sich auch ein System mit einer Wanddicke von 25 cm in Testung, das zurzeit aber noch nicht in der Zulassung berücksichtigt ist.

Die Kanthölzer, aus denen die Holzbausteine entstehen, haben eine Breite von 100 mm und eine Höhe von 100 mm. Die Länge der Kanthölzer beträgt, je nach Briqgröße, 100 mm bis 2.400 mm. Die Kanthölzer werden über ein dreidimensionales System zu den Briqs zusammengefügt und mittels in den drei Haupttragrichtungen angeordneter Holzdübel im Abstand von 100 mm verbunden. Jeder Briq besteht aus drei Lagen von Kanthölzern, von denen die äußeren beiden Lagen liegend und die Mittellage vorrangig stehend verbaut werden. Einzelne Kanthölzer in der Mittellage sind versetzt, sodass Noppen (Oberseite) und Sacklöcher (Unterseite) entstehen, die ein Zusammenfügen der Holzbauststeine zu flächigen Elementen ermöglichen. Durch das vollständige Ineinandergreifen der vorgesehenen formschlüssigen Verbindungen entsteht eine verschiebungsfreie Verbindung der Briqs. Die Kanthölzer bestehen aus Vollholz aus Fichte, Kiefer oder Tanne. Die Festigkeitsklasse der Kanthölzer muss mindestens C24 betragen.

Die einzelnen Briqs werden auf der Baustelle im Läuferverband zu einer Wand zusammengesteckt. Dabei werden die jeweiligen Noppen über Buchenholzdübel mit den aufliegenden Holzbausteinen verriegelt. Dafür bestehen entsprechende Vorbohrungen. Für das Eintreiben der Dübel hat das Unternehmen spezielle Werkzeuge entwickelt. Diesen Vorgang – nämlich den Verbau seriell vorgefertigter, kleiner Holzbaumodule – beschreibt das Unternehmen als mikromodularen Ansatz. Nach der Bauartgenehmigung sind Planung, Bemessung und Ausführung von tragenden und aussteifenden Wandelementen von Wohngebäuden mit bis zu zwei Vollgeschossen bzw. vergleichbar genutzten Gebäuden und maximalen lichten Wandhöhen von 3,0 m unter Verwendung der Massivholzbausteine möglich. Das Brandverhalten entspricht B2, normalentflammbar. Die tragenden und aussteifenden Wandelemente dürfen durch statische oder quasistatische Einwirkungen beansprucht werden. Ermüdungsrelevante Beanspruchungen sind auszuschließen. Von der Bauartgenehmigung sind Einwirkungen rechtwinklig zur Wandebene mit kurzer und sehr kurzer Lasteinwirkungsdauer sowie Einwirkungen in Wandebene mit beliebiger Lasteinwirkungsdauer erfasst. Der mikromodulare Ansatz des Systems ermöglicht die Planung von Türen und Fenstern ohne überflüssigen Verschnitt. Kabelschächte können eingeschlitzt werden. Auf der Homepage bietet Triqbriq einen ausführlichen Detailkatalog mit Sockeldetails, Wandaufbauten, Innenwandaufbauten und Öffnungsdetails. Bestimmungen für Planung, Bemessung und Ausführung sind zudem der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung /allgemeinen Bauartgenehmigung Z-9.1-907 zu entnehmen.

Technische Details in der Ausführung

Hinsichtlich der Verankerung ähnelt das System dem anderer Holzhausbauweisen. Für die Verankerung der Wand kommen verschiedene Optionen infrage. Zum einen kann die erste Reihe der Holzbausteine, wie im Holzbau üblich, mittels einer in Quellmörtel verlegten Setzschwelle oder mit einem innenliegenden Stahlwinkel befestigt werden. Zugplatten, die an der Außenseite der Wände befestigt und mit geeigneten Dübeln stirnseitig an der Bodenplatte montiert werden, bilden eine weitere Befestigungsmöglichkeit. Wenn eine betonfreie Gründung ausgeführt werden soll, kann eine Stahlgründung eine Option sein. Dafür werden Stahlträger auf Schraubfundamenten montiert. Eine massive Holzdecke, zum Beispiel aus Brettschichtholz (BSH) oder Brettsperrholz (BSP), die unterseitig mit wasserbeständigen zementgebundenen Bauplatten vor Feuchte geschützt und mit ausreichender Unterlüftung montiert wird, dient als Bodenplatte. Auf ihr kann die erste Reihe der Holzbausteine im Winkel von 45° verschraubt werden oder mittels einer Richtschwelle ausgerichtet und befestigt werden.

Die Wandelemente müssen am Wandfuß und am Wandkopf rechtwinklig zur Wandebene horizontal gehalten sein, zum Beispiel durch Decken. Bei der Art der Deckenkonstruktion ist man flexibel. Eine Decke aus BSH oder BSP liegt auf dem System auf und wird verschraubt. Dafür werden die Noppen der obersten Reihe entfernt, und es wird eine Zentrierleiste angebracht, um die Biegebeanspruchungen beim Deckenauflager zu verringern. Entkopplungsstreifen reduzieren die Schallübertragungen und schließen die Stoßfugen luftdicht. Auch hybride Lösungen (beispielsweise Stahlbetondecken) sind umsetzbar, aber nicht durch die Bauartgenehmigung abgedeckt.

Die Außenwände können beispielsweise mit einem Wärmedämmverbundsystem oder mit Außenwandbekleidungen aus Holz gestaltet werden. Die Ausführung erfolgt wie bei anderen Holzbauwänden. Die Luftdichtheit kann auf der Innenseite mit einem zweilagigen Lehmputz hergestellt werden. Die Eckverbindungen von Außenwänden werden – wie bei einem Läuferverband üblich – ausgeführt, indem die Erstellung der Wände im Versatz erfolgt. Stürze für Fenster- und Türöffnungen werden mit Holzbalken ausgebildet (Bild 3), die mit Holzschrauben an den Holzbausteinen befestigt werden. Kabeldurchführungen mit einem maximalen Durchmesser von 30 mm sind zulässig.

Eine Wand aus Holzbaubausteinen, in der ein Fenster eingebaut ist.
Bild 3: Die Stürze für Aussparungen wie Fensteröffnungen werden aus durchlaufenden Balken gebildet. (Quelle: Triqbriq AG)

Produktion aus Kalamitäts- und Industrieholz

Ende 2022 eröffnete das Unternehmen sein Stammwerk mit einer roboterunterstützten Produktionsanlage in Tübingen. Die modulare Roboteranlage ist dafür geeignet, an den Produktionsprozess von Sägewerken und Abbundzentren anzuschließen. Der Produktionsprozess beginnt mit dem Hobeln der Kanthölzer aus Industrie- und Kalamitätsholz, das von regionalen Forstbetrieben bezogen wird. Seit Kurzem ist es der Triqbriq AG außerdem möglich, rückgebautes Holz als Rohstoff zu verwenden. Die Bearbeitung des Holzes mit werkseigenen Hobelmaschinen ermöglicht Präzision und Passgenauigkeit aller Teile. Der Kern der Produktion besteht aus Industrierobotern. Diese verwandeln die gehobelten Kanthölzer mittels eines patentierten dreiaxialen Dübelsystems zu statisch einwandfreien Holzbausteinen (Bild 4). Auf diese Weise ist es möglich, Industrie- und Kalamitätsholz (Schwachholz, Schadholz, Käferholz, etc.) sowie rückgebautes Holz verschiedenster Qualitäten zu einem kreislauffähigen und sicher einsetzbaren Baustoff weiterzuverarbeiten. Geliefert werden die Briqs auf Europaletten – wiedereinsetzbare Abdeckhauben und Spanngurte sorgen dabei für die müllfreie Zustellung.

Zwei Industrieroboter fertigen einen Holzbaustein.
Bild 4: Industrieroboter setzen die zugeschnittenen und gehobelten Kanthölzer zu einem patentierten dreiaxialen Dübelsystem zusammen. (Quelle: Triqbriq AG)

Kooperation mit Concular

In einer neuen Zusammenarbeit bezieht Triqbriq seit Kurzem rückgebautes Holz von Concular, einem recht jungen Unternehmen für das zirkuläre Bauen. Dessen erste Lieferung stammte aus dem Holztragwerk eines großen deutschen Discounters. Dank der flexiblen Anpassung der Produktionsanlage und der Qualitätskontrollen ist die Verwendung von rückgebautem Holz von Concular möglich. Die aus dem rückgebauten Holz gefertigten Holzbausteine lagern pro Quadratmeter Wandfläche etwa 200 Kilogramm CO2 ein, das ansonsten beim Verbrennen des Holzes emittiert würde.

Komplett zirkulärer Wandaufbau 

Im Prinzip können in Kombination mit Triqbriq alle diffusionsoffenen Lösungen im weiteren Wandaufbau zur Anwendung kommen. Wie das Ganze in einem kompletten Wandaufbau exemplarisch aussehen kann, zeigt Triqbriq gemeinsam mit dem Klinkerhersteller Hagemeister und der sogenannten „Kreislaufwand“ – einer zweischaligen und tragenden Außenwand (Bild 5). Alle verwendeten Elemente sind ohne Kleber zusammengefügt und somit sortenrein und beschädigungsfrei rückbaubar.

Im Kontext der Kreislaufwand kommt bei der Dämmung zwischen Holzwand und Klinkerfassade eine 8 cm dicke Holzfaserdämmung zum Einsatz, die über Schrauben mit dem Holzbausteinsystem verbunden ist. Zur Herstellung der Wind- und Luftdichtigkeit und zur Gewährleistung eines entsprechenden Feuchteschutzes werden zusätzlich eine wasserabweisende Fassadenbahn und eine Dampfbremse verbaut. Im Innenbereich werden Lehmbauplatten eingesetzt, die ebenfalls verschraubt und damit rückbaubar sind. Der Anschluss an die Bodenplatte wird mittels eines abgedichteten Mörtelbetts und verschraubter Bolzenanker realisiert.

Detailzeichnung des Wandaufbaus
Bild 5: Die Kreislaufwand ist aus einer Kooperation mit einem Klinkerhersteller entstanden. Vor die Holzwand wird eine Klinkerfassade gesetzt, die ebenfalls zurückgebaut werden kann. (Quelle: Triqbriq AG)
Querschnitt Kreislaufwand mit U-Wert Berechnung
Bild 6: Der U-Wert der Kreislaufwand beträgt 0,234 W/(m²K). (Quelle: Triqbriq AG)
Tabelle 1 Aufbau der Kreislaufwand und ihre bauphysikalischen Eigenschaften

Schicht

Material

Dicke
[mm]

Wärmeleitfähigkeit λ
[W/mK]

Wasserdampf-Diffusionswiderstandszahl µ min/ µ max

diffusionsäquivalente Luftschichtdicke s d
[m]

Anteil
[%]

1

Lehmputz

10

0,760

7/7

0,070

100,0

2

DIN 4108 5.7.1 Holzwolleplatten (WW) nach DIN EN 13168 NW 0,067

17

0,070

2/5

0,034

100,0

3

Lehmputz

3

0,760

7/7

0,021

100,0

4

DIN EN ISO 10456 Nutzholz 500

250

0,130

20/50

5,000

100,0

5

Pro Clima Dampfbremspappe

1

0,130

2300/2300

2,300

100,0

6

Gutex Multitherm

80

0,042

4/4

0,320

100

gesamt

361

Bild 7: Eine Berechnung mit den vereinfachten Klimabedingungen nach DIN 4108-3 zeigt, dass es zu keinem schädlichen Tauwasserausfall in der Kreislaufwand kommt. (Quelle: Triqbriq AG)

Die vorgehängte Klinkerfassade in Bild 6 hat keine rechnerischen Auswirkungen auf die Wärmedämmleistung der Kreislaufwand. Das Triqbriq-System in Kombination mit den weiteren Bauteilen im Innen- und Außenbereich kommt auf einen U-Wert von 0,234 W/(m²K ) und erreicht damit die im Gebäudeenergiegesetz (GEG) vorgegebenen Werte. Der Feuchteschutz ist entsprechend Bild 7 gegeben.

Aktuelle Projekte

Europaweit gibt es diverse Projekte mit Vorgängerversionen des Triqbriq-Systems. In Stuttgart Weilimdorf wurde 2021 in Form eines Anbaus an ein Einfamilienhaus ein Proof of Concept mit dem aktuellen System umgesetzt. Im Frankfurter Raum entsteht mit einem Einfamilienhaus nun das erste Bauvorhaben, in dem auch die Briqs aus Concular-Holz zum Einsatz kommen.

Spannend ist vor allem das anstehende Kooperationsprojekt mit einem großen Wohnungsunternehmen. Gemeinsam mit ihm baut Triqbriq eine Kita mit über 1.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche. Das Projekt verfolgt einen ganzheitlich nachhaltigen Ansatz mit einem expliziten Fokus auf ESG-konformen und gesunden Baumaterialien. Die Abkürzung „ESG“ steht für Environmental, Social und Governance (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).

zuletzt editiert am 14.09.2023