Lehmbau — Teil 1 Das Bauen mit Lehm hat sich wie auch der Holzbau in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt. Es gibt genug gelungene Ansätze, mit Lehmbaustoffen Masse in den modernen Holzbau zu bringen, um seine thermische, raumklimatische und akustische Qualität zu verbessern. Der Artikel erläutert die Zusammenhänge und zeigt, worauf es ankommt.
Moderner Holzbau und traditionelles Lehmfachwerk, es könnte keinen größeren Gegensatz geben. Während über Jahrhunderte nahezu alle Holzkonstruktionen mit Lehm raumabschließend ausgefacht wurden, werden die Potenziale des Baustoffs Lehm in der heutigen Holzbaupraxis kaum wahrgenommen. Dabei zeigt sich immer mehr, dass die gängigen Konstruktionsprinzipien leichter hochwärmedämmender Holzbauelemente sich in der Praxis nicht unbedingt bewährt haben. Ganz besonders schlechter sommerlicher Wärmeschutz und im Winter die fehlende Speicherung passiver Sonnenenergie, mangelhafter Schallschutz, komplizierte Wandaufbauten in Bezug auf Feuchteschutz und Luftdichtigkeit sind da zu nennen. Wegen überhitzter Räume und überhöhter Kosten von Hightech-Holzbau kehrt man lieber zum Massivbau zurück.
Dabei hat sich das Bauen mit Lehm ebenfalls weiterentwickelt, und es gibt genug gelungene Ansätze, mit Lehmbaustoffen Masse in den modernen Holzbau zu bringen, um seine thermische, raumklimatische und akustische Qualität zu verbessern. Mit einfachen Konstruktionen lassen sich guter Brandschutz und ein robuster Feuchteschutz erreichen, ohne zusätzliche Luftdichtungen, Dampfbremsen, Installationsebenen. Unzählige Realisierungen, Publikationen, die Lehmbau Regeln und neue DIN-Lehmnormen zeigen, dass die Anwendung dieser weder Mensch noch Umwelt Schaden zufügenden Baustoffe seit einigen Jahren immer populärer wird.
Der Holzbau sollte den alten neuen Baustoff Lehm wiederentdecken für die Weiterentwicklung zu einer beispielhaft nachhaltigen, ressourcenschonenden und qualitätvollen Bauweise.
Klimagerecht bauen
Traditioneller Holzbau war konstruktionsbedingt entweder Fachwerk mit massiven Ausfachungen, meist Strohlehm, oder massiver Blockbau, verkleidet oder verschindelt. Moderner Holzbau ist meist mit Dämmstoff ausgefacht (Bild 2). Zugrunde liegt die bauphysikalische Erkenntnis, dass lufthaltige Stoffe gegen Kälte besser isolieren als massive der Dämmstoff war geboren. Seitdem werden leider sehr eindimensional nur die Wärmeverluste aus dem Hausinneren betrachtet. Der sinnbildhafte dicke Pullover wirbt für das Einpacken des Hauses mit Dämmstoff. Doch ein Gebäude ist kein frierendes Lebewesen, sondern ein massiver Körper, der frei im Raum stehend von der Sonne bestrahlt wird, einer Wärmequelle, die auch im Winter kostenlos zur Verfügung steht. Wie können diese Strahlungsgewinne genutzt werden? Zunächst muss die Strahlung in das Innere des Gebäudes gelangen können; dazu erhalten Südfassaden größere Fensteröffnungen. Die eingestrahlten Wärmegewinne werden von schweren Baustoffen schnell aufgenommen, die sich dabei aber nur langsam erwärmen, sodass die Raumtemperatur stabil bleibt. Leichte Baustoffe dagegen nehmen Wärme schnell auf und geben sie sofort an die Raumluft weiter, die sich bald erwärmt. In beiden Fällen bleibt die Energie zwar im Haus, allerdings mit erheblichen Komfortunterschieden.

Aber auch die opake Gebäudehülle absorbiert Wärmestrahlung, mit einer Dämmstoffhülle werden diese Gratiswärmegewinne aber abgesperrt. Bei Fassadenflächen kann Lehm – als außenliegender Massebaustoff – direkte Sonnen- und diffuse Globalstrahlung aufnehmen und durch Temperaturerhöhung der Wand die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen verringern. Jedes Grad weniger Differenz bedeutet sechs Prozent Energieeinsparung. Voraussetzung für eine solche Konstruktion ist eine gute Innendämmung, die im Holz-Lehmbau unproblematisch zu realisieren ist und große Vorteile hat, siehe unten.
Die U-Wert-Philosophie blendet auch gerne den sommerlichen Wärmeschutz aus, der nun zum echten Problem wird. Üblicher Holzbau reagiert empfindlich auf Strahlungsgewinne; deshalb dürfen Fenster nach Osten und Westen nicht zu groß sein, aber selbst rigoroser Sonnenschutz kann kaum verhindern, dass die Räume sich tagsüber aufheizen (Bild 3). Es muss künstlich gekühlt und die abgedunkelten Räume müssen künstlich beleuchtet werden, oder es werden Klimaanlagen eingesetzt.

Dagegen wird nach den Prinzipien der natürlichen Klimatisierung gefragt, wo und wann es im Sommer natürliche Kühlenergie gibt. Neben Begrünung und Beschattung, Dachüberständen und bewusster Fensteranordnung und -größe ist es vor allem die Nachtkühle, die genutzt werden kann. Je heißer und klarer der Tag, desto mehr Erdwärme wird in den klaren Nachthimmel wieder abgestrahlt. Die Tag-Nacht-Temperaturdifferenz kann über 20 Grad erreichen, womit eine enorme Kühlenergie zur Verfügung steht. Auch bei bedecktem Himmel sind die Tag-Nacht-Unterschiede nutzbar. Beim leichten Holzbau kann erst spät am Abend ausreichend abgekühlte Umgebungsluft das Innere des Hauses entwärmen, aber schon am nächsten Vormittag wird sich das Haus schnell wieder aufheizen. Ein Holzbau mit innerer Masse dagegen entwärmt sich mit Nachtlüftung ausgiebiger und kann diese Kühle über den ganzen Tag speichern. Die Tageswärme wird von der Masse leicht absorbiert, auch Öffnen der Fenster und Lüften sind kein Problem. Die Räume sind natürlich belichtet, sogar Sonnenschutz ist bei sinnvoller Fensteranordnung und Größe oft entbehrlich.
Der Kennwert für wärme-, aber auch kühlespeichernde Bauteile ist die Wärmespeicherfähigkeit Q = c . e . s [kJ/m2K], Produkt aus spezifischer Wärme c, Rohdichte ρ und Schichtdicke s. Nachwachsende Stoffe wie Holz und pflanzliche Dämmstoffe (Hanf, Zellulose, Holzfaser) mit etwa doppelter spezifischer Wärme im Vergleich zu mineralischen Stoffen tragen zur Wärmespeicherung bei. Lehmbaustoffe, schwerer und mit größerer Speicherfähigkeit als Holz, sind als Masse für Innenbauteile besonders gut geeignet. Sie füllen Hohlräume von Rahmenwänden, dienen als Deckenauflagen, beschweren Wände in Vorsatzschalen, oder sie bringen als dicke Lehmputze Masse in den Bau. Massiver Holzbau hat zwar auch eine gute Wärmespeicherung, aber Lehmbaustoffe ermöglichen wesentlich holzsparendere Konstruktionen.
Raumklima als thermischer Komfort
Ohne ausreichende Speichermasse muss wegen der fehlenden thermischen Stabilität geheizt oder gekühlt werden. Thermostatgeregelt ist das heute zwar technisch kein Problem, aber energieintensiv. Mit ausreichend thermischer Speichermasse in Innenbauteilen werden dagegen auch nicht kontinuierliche Sonnenstrahlung im Winter und Nachtkühle im Sommer genutzt. Auf einfachste Weise sind solche Gebäude ohne Technik im Sommer kühl, im Winter warm.
Wichtig ist dabei das Verhältnis von Oberflächentemperatur zur Raumlufttemperatur. Im Winter sind wärmere Oberflächen erwünscht, im Sommer kühlere. Im leichten Holzhaus ist es meist zu warm wegen fehlender kühlender Masse. Schwere massive Ziegel- oder Betonwände (mit Außendämmung) wären aber kontraproduktiv, da sie nach Heizunterbrechungen oder -absenkungen lange kalt abstrahlen. Mit einer Innendämmung und außenliegender Masse – im Holz-Lehm-Haus bauphysikalisch sehr gut realisierbar – sind dagegen auch raumweise energiesparende Heizungsunterbrechungen möglich. Anstatt das ganze Haus zu heizen, empfiehlt es sich, räumlich und zeitlich zu differenzieren; dazu sind normale Innentüren hilfreich. In wenigen Minuten erreicht ein Raum beim Aufheizen behagliche Oberflächentemperaturen, noch besser mit einer Strahlungsheizung. Der physiologische Idealfall mit warmen Oberflächen gegenüber kühler Atemluft ist damit erreicht. So ist die Raumluft schon mit 17 bis 18 Grad behaglich; wiederum können drei bis vier Grad weniger Temperaturdifferenz zwischen außen und innen 20 Prozent Energieeinsparung ausmachen (Bilder 4–5). Wenn allerdings keine oder nur wenige Innenbauteile vorhanden sind, die beschwert werden können, kann die Masse auch auf der Innenseite der Außenwand bzw. die Dämmung außen angeordnet werden (Bilder 6–8). Bei der Frage, ob innen oder außen gedämmt wird, ist zu entscheiden, ob thermische Stabilität gewünscht ist oder eher nicht, zum Beispiel ob Räume schnell beheizbar sein sollen – wie Arbeits-, Schlafzimmer oder Wohnräume. Auch Versammlungsräume, Konzertsäle brauchen nur für die Nutzungszeit temperiert zu werden.





Robuster Feuchteschutz
Konventioneller Holzbau nach Schulbuch-Bauphysik bedeutet oft einen komplizierten Wandaufbau mit zahlreichen Bauteilschichten für unterschiedlichste Funktionen: Raumabschluss, Dampfbremse, Installationsebene, Luftdichtigkeit, Winddichtung. Dafür kommt ein zweifelhaftes Arsenal an weniger nachhaltigen Baustoffen wie Folien, Selbstklebedichtbändern, Kunstharzleim, künstlichen Faserstoffen, Schäumen zum Einsatz. Die Hauptsorge gilt der Feuchtekondensation im Bauteilinneren, die mit Dampfbremsen und Luftdichtung vermieden werden soll, denn künstliche Dämmstoffe würden nach Durchfeuchtung durch Kondenswasser gar nicht oder nur zu langsam wieder austrocknen. Bringt man Lehm (und Naturfaser) ins Spiel, eröffnen sich ganz neue, die Konstruktion wesentlich vereinfachende Möglichkeiten. Aufgrund der mikroskopisch feinen Plättchenstruktur der Tonminerale kann eine vorübergehende (oft auch nur rechnerische) Kondensationsfeuchte problemlos zwischengespeichert werden und später schnell wieder trocknen. Guter kapillarer Feuchtetransport von Tauwasser in Tropfenform und gute Diffusionsfähigkeit haben eine zuverlässig trockenhaltende Wirkung. Setzt man im gesamten Bauteil ebenso kapillar leitfähige und diffusionsoffene Dämmstoffe, Putze, Anstriche ein, ist ein robuster Feuchteschutz auch von hochdämmenden Konstruktionen möglich, unter Verzicht auf Dampfsperre und Installationsebene. Im Holzbau – anders als im Massivbau mit möglichen Wärmebrücken – wird vor allem die Innendämmung zusammen mit Lehm und pflanzlichen Dämmstoffen zu einer gutmütigen und bauphysikalisch sicheren Konstruktion. Diffusionsberechnungen nach DIN 4108 (Glaser) sollten bald der Vergangenheit angehören, da in sie kapillare Rücktrocknung, Wärmespeicherung sowie dynamische Temperatur- und Feuchteschwankungen nicht einfließen – abgesehen von unrealistischen Extremklima-bedingungen.
Fortsetzung folgt.