Die Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine des Karlsruher Instituts für Technologie, kurz KIT, wurde im Jahr 2021 100 Jahre alt. Grund genug, die Historie, die Bedeutung und die aktuellen Themen der Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine des KIT näher zu beleuchten.
Die Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine des Karlsruher Instituts für Technologie, bestehend aus dem KIT Holzbau und Baukonstruktion und dem KIT Stahl- und Leichtbau, wurde 1921 gegründet und feierte somit im Jahr 2021 ihr 100-jähriges Jubiläum. Seit ihrer Gründung hat sich die Versuchsanstalt stets den Erfordernissen und Aufgabenstellungen von Wissenschaft und Forschung angepasst und die gewonnenen Forschungsergebnisse einer Nutzung durch die Praxis zugeführt.
1921 bis 1948
1921 wurde von Ernst Gaber, Professor für Baustatik und Brückenbau 1921–1945, zunächst der sog. „Prüfraum Gaber“ geschaffen, den er in einer Veröffentlichung (Gaber 1925) als Versuchsanstalt für Holz, Stein und Eisen der Technischen Hochschule Karlsruhe bezeichnet. Ernst Gaber widmete viele seiner Forschungsarbeiten dem Baustoff Holz. So ging es zunächst um die Erforschung der Festigkeitseigenschaften des Bauholzes unter Berücksichtigung der Wuchsunregelmäßigkeiten wie etwa Äste oder Schrägfasrigkeit. Damit wurden die Grundlagen für die Gütesortierung von Bauholz geschaffen, die für eine zuverlässige Bemessung von Holzkonstruktionen notwendig ist. Weiterhin lieferten seine umfangreichen Forschungen auf dem Gebiet der Holzverbindungsmittel, insbesondere der Nagelbauweise, die Möglichkeiten zur Errichtung von weitgespannten und hochbelastbaren Holzbrücken in Zeiten der Stahlverknappung der Kriegs- und Nachkriegszeit. 1941 wurde für die Prüfung von Trägern und Brückenteilen in Originalgrößen eine 5.000-t-Prüfanlage errichtet („Gaber-Turm“), die als die größte Prüfpresse Europas galt.
1949 bis 1980
Nach dem Krieg begann der Wiederaufbau der Universität und der teilweise zerstörten Einrichtungen der Versuchsanstalt unter Otto Steinhardt (Professor für Brückenbau und Baustatik seit 1949) und seinem damaligen Mitarbeiter Karl Möhler. Möhler wurde 1958 zum a.o. Professor für Ingenieurholzbau und Baukonstruktionen, 1964 zum Ordinarius und schließlich 1969 zum Direktor der Versuchsanstalt in kollegialer Leitung mit Professor Steinhardt ernannt.
Möhler schuf 1942 mit seiner Dissertation „Tragkraft und Querkraft von ein- und mehrteiligen Holzdruckstäben nach Versuch und Rechnung“ die Grundlage für eine zuverlässige Bemessung gedrückter Holzbauteile. Weitere Arbeiten über die Erfassung der Nachgiebigkeit von zusammengesetzten Biege- und Druckstäben führten schließlich zu seiner Habilitationsschrift. Diese bildete die Grundlage für das in allen zukünftigen Fassungen der Holzbaunormen enthaltene Gamma-Verfahren.
Durch den 1958 neu eingerichteten Lehrstuhl für Ingenieurholzbau und Baukonstruktionen und durch die Errichtung einer Prüfhalle für den Holzbau wurden die Forschungsmöglichkeiten im Bereich Holzbau entscheidend verbessert und erweitert. Möhlers Arbeiten, unter anderem über Stahlblech-Holz-Nagelverbindungen, das Ausziehverhalten von Schraubnägeln, das Dauerstandverhalten von Nagelverbindungen, Holzschraubenverbindungen und die Schubverformung von Holzbiegeträgern, fanden ihren Platz in der Neufassung der DIN 1052 im Jahre 1969. Als Obmann des Arbeitsausschusses „Holzbauwerke“ schuf Möhler zusammen mit seinen Mitarbeitern ein Normenwerk, das den Holzbau als eigenständige Disziplin des Ingenieurbaus maßgeblich förderte.
Karl Möhler bemühte sich früh um die weltweite Zusammenarbeit der Wissenschaftler auf dem Holzbausektor. So wurden in der Arbeitsgruppe CIB-W18 Timber Structures, die er 1973 zusammen mit Wissenschaftlern aus Europa, Kanada, USA und Brasilien ins Leben rief, die ersten Entwürfe für die in den 1990er-Jahren veröffentlichten europäischen und internationalen Holzbaunormen geschaffen.

1980 bis 1995
Im Jahr 1980 wurde Jürgen Ehlbeck zum Ordinarius für Ingenieurholzbau und Baukonstruktionen berufen und übernahm zusammen mit Rolf Baehre (Professor für Stahl- und Leichtmetallbau) die kollegiale Leitung der Versuchsanstalt.
Unter Jürgen Ehlbeck begann die Holzbauforschung sich von der deterministischen Betrachtungsweise (Methode der zulässigen Spannungen) hin zum wahrscheinlichkeitsorientierten Sicherheitskonzept zu entwickeln. Dies hat zur Folge, dass entweder eine sehr große Zahl von Versuchen durchzuführen ist oder aber das Tragverhalten von Holz und Holzverbindungen durch geeignete mechanische Modelle unter Berücksichtigung des Einflusses der Streuung der Materialeigenschaften bestimmt wird.
Dem Karlsruher Holzbau unter Jürgen Ehlbeck war die europäische Normung ein großes Anliegen. Unter seiner intensiven Beteiligung entstand die erste europäische Holzbaunorm, Eurocode 5, die 1995 zur probeweisen Anwendung (parallel zu DIN 1052) in Deutschland bauaufsichtlich eingeführt wurde.
Im Jahr 1985 wurde der Sonderforschungsbereich SFB 315 „Erhalten historisch bedeutsamer Bauwerke“ unter der Beteiligung des Karlsruher Holzbaus bewilligt. 15 Jahre lang wurden durch umfangreiche Versuche an altem Holz und Holzverbindungen die Grundlagen für die Beurteilung von alten Holzkonstruktionen geschaffen, die durch die Buchreihe „Empfehlungen für die Praxis“ unmittelbar für die Ingenieure anwendbar gemacht wurden.
1995 bis 2021
Hans Joachim Blaß, der 1995 den Lehrstuhl für Holzbau und die kollegiale Leitung der Versuchsanstalt übernahm, führte die angewandte Forschung in der Tradition seiner Vorgänger fort. Seine Forschungen auf dem Gebiet der Verbindungen und Verbindungsmittel führten zu internationaler Anerkennung. Insbesondere an der Entwicklung und Anwendung von Vollgewindeschrauben, die für den Holzbau neue Möglichkeiten eröffneten, war er maßgeblich beteiligt und erhielt dafür 2010 vom schwedischen König den Marcus-Wallenberg-Preis. Weitere Forschungsarbeiten beschäftigten sich mit der Anwendbarkeit von Brettsperrholz und anderer Holz-Massivbauweisen sowie adaptierten Holz-Holz-Verbindungen für moderne Holzprodukte.
Ein Erweiterungsbau der Holzprüfhalle konnte verwirklicht werden. Ebenso konnten die Prüfmaschinen des Prüflabors Holzbau erneuert und ein Wandprüfstand für große, auch zyklische, Lasten konnte realisiert werden. Dabei wurden jeweils aus der Bearbeitung von Industrieprojekten generierte Drittmittel des Instituts eingesetzt.
International anerkannt sind auch die Tätigkeiten des Karlsruher Holzbaus im Rahmen der internationalen Forschergruppe CIB-W18 Timber Structures, ab 2014 übergegangen in die Arbeitsgruppe INTER (International Network on Timber Engineering Research). Seit seiner Gründung 1973 sind vom Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktionen 54 Tagungsbände herausgegeben worden, die den Stand der Forschung im Holzbau der letzten 50 Jahre weltweit erfassen. Neben den redaktionellen und organisatorischen Tätigkeiten wurde diese Gruppe von 1992 bis 2018 in 27 Sitzungen von Prof. Blaß geleitet. 2018 wurde Philipp Dietsch von den Mitgliedern der Gruppe zu ihrem Vorsitzenden gewählt. 2021, also im hundertsten Jahr der Versuchsanstalt, übernahm Philipp Dietsch von Prof. Blaß die Leitung des KIT-Lehrstuhls für Holzbau und Baukonstruktion.
Das 100-jährige Jubiläum der Versuchsanstalt für Stahl, Holz und Steine soll am 6. und 7. Oktober 2022 im Rahmen einer Festveranstaltung gefeiert werden. Nach einem Rückblick auf die 100-jährige Geschichte der Versuchsanstalt stehen Festvorträge von Jan Knippers („Integratives Planen und Bauen für eine ressourceneffiziente Architektur“) und Pierre Quenneville („Enabling mass timber to compete with concrete and steel in earthquake-prone regions“) auf dem Programm. Für die Festveranstaltung am Abend wird das ZKM (Zentrum für Kunst und Medien) Karlsruhe einen angemessenen Rahmen bieten. Am zweiten Tag werden wissenschaftliche Mitarbeiter-/innen der Versuchsanstalt aus den Themenbereichen „Werkstoffe-Verbindungen-Konstruktionen“ aktuelle Entwicklungen im Stahl- und Holzbau vorstellen. Danach wird Philipp Dietsch, seit Oktober 2021 Nachfolger von Hans Joachim Blaß, im Rahmen seiner Antrittsvorlesung der Frage nachgehen, welche Grenzen des Wachstums es für den Holzbau gibt und wie diese zu überwinden wären. Im Anschluss gibt Thomas Ummenhofer einen Einblick in aktuelle Entwicklungen im Bereich des freien Umformens durch Fluiddruck.
Zum Abschluss der Veranstaltung sind die Teilnehmer eingeladen, die Veranstaltung in den Laboren der Versuchsanstalt ausklingen zu lassen.
Das Programm und alle weiteren Informationen finden Sie auf den Webseiten holz.vaka.kit.edu und stahl.vaka.kit.edu.
Die Festveranstaltung soll gleichzeitig einen würdigen Rahmen bieten, um Professor Blaß offiziell in den Ruhestand zu verabschieden.