Vier Männer richten eine Holzrahmen-Außenwand, die mit Strohballen gedämmt ist aus. Im Hintergrund sind die Türme des Klosters zu sehen.
Ein Förderprojekt der EU unterstützte das Bauen mit Stroh in fünf europäischen Ländern, wie hier den Neubau beim Kloster Plankstetten. (Quelle: Lorenz Märtl)

Technik 24. November 2022 Mit Strohbau auf zum Klimaziel 

Mit Stroh bauen heißt CO2 einsparen. Denn laut dem europäischen Projekt „Up Straw“ punkten strohgedämmte Gebäude durch ihre Nachhaltigkeit. Sie entlasten das Klima dreifach: Stroh speichert Kohlenstoff beim Wachstum, verursacht minimale CO2-Emissionen bei der Herstellung und vermeidet als effiziente Wärmedämmung CO2-Emissionen im Gebäudebetrieb. Der Bericht stellt die Ergebnisse aus dem Projekt vor.

Seit 2006 ist die Wärmedämmung aus Strohballen in Deutschland ein bauaufsichtlich anerkannter Baustoff. In vielen weiteren europäischen Ländern wird ebenfalls mit Stroh gebaut, zum Teil auch mit anderen Techniken, als in Deutschland zugelassen. Allein in Frankreich finden sich über 5.000 Gebäude aus Stroh, darunter mehrere Schulen, Kindergärten und andere öffentliche Gebäude.

Der Vorteil von Stroh: Als Nebenprodukt des Getreideanbaus ist der Baustoff fast überall erhältlich, ohne dass eine weitere aufwendige Verarbeitung erforderlich ist. Es wächst nach, kann nach der Nutzung wiederverwertet oder problemlos kompostiert werden. Hinzu kommt eine Vielzahl bautechnischer und bauphysikalischer Vorzüge (siehe dazu Serie Strohballenbau in Der Zimmermann 11.2018 bis 3.2019).

Mit dem Projekt „Up Straw“ wurde dem Bauen mit Stroh in Europa ein weiterer Schub gegeben. Das Projekt lief im Rahmen des Interreg-Programms North-West Europe der Europäischen Union. Interreg, offiziell heißt es die „europäische territoriale Zusammenarbeit“, ist Teil der Struktur- und Investitionspolitik der Europäischen Union. In diesem Interreg-Programm der EU wurde unter dem Motto „Low Carbon“ (Reduktion von CO2-Emissionen) durch das Projekt „Up Straw“ die Entwicklung eines Marktes für Bauen mit Stroh mit 3,8 Millionen Euro gefördert. Das Gesamtbudget des Projekts beträgt 7,05 Millionen Euro. Es lief von 2017 bis Ende 2021 bzw. wurde in Frankreich aufgrund von Verzögerungen beim Bauvorhaben bis Ende 2022 verlängert. Ziel war und ist es, Lösungen für Nordwesteuropa zu finden, um den Ausstoß klimaschädigender Gase zu senken. In dem Teil Europas ist die Gebäudeheizenergie für bis zu 15 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Im Rahmen des Projekts entstanden in fünf europäischen Ländern fünf Modellprojekte in Strohbauweise. Damit wurden Referenzbauten für die Nutzung von Stroh auch im öffentlichen Bausektor geschaffen. Sie alle waren Gegenstand eines öffentlichen Vergabeverfahrens und eines Monitorings über das Bauen mit Stroh in allen Phasen des Bauprozesses. Im Folgenden werden die einzelnen Projekte vorgestellt. Weitergehende Informationen finden sich in deutscher Sprache beispielsweise unter www.bau-mit-stroh.de.

Loses Stroh gepresst oder eingeblasen

Zwei Männer führen die Holzbeplankung die an einem Kran hängt auf das zu pressende Stroh, das in einem Kasten liegt.
Für das belgische Bürogebäude pressten die Mitarbeitenden mit viel Druck loses Stroh zwischen die Beplankung aus Holzbohlen, um die erforderliche Dichte zu erhalten. (Quelle: Atelier Mobic)
Ein Mann steht mit einem Schlauch in der Hand auf einem beidseitig geschlossenen Holzelementwand und bläst das Stroh ein.
In die vorgefertigten Fassadenelemente der niederländischen Sporthalle blies man das lose Stroh mit entsprechendem Druck ein. (Quelle: Up Straw)

In Namur (Belgien) entstand das Bürogebäude von „Cluster Eco-Construction“, einem Verband, der das ökologischen Bauen fördert, mit einer Nutzfläche von 400 m². Der Neubau wurde 2021 fertiggestellt. Die Wände wurden aus Holzbohlen gebaut, die aus abgerichteten halbierten Rundhölzern bestehen. Die Strohballen wurden geöffnet, das Stroh wurde auf die mit einer Dampfbremse versehenen Bohlen gelegt und erneut gepresst, um die erforderliche Dichte zu erhalten. Aufgrund der gewählten Bauweise entfielen die Anforderungen an die Dichte und die Form, die an gepresste Strohballen gestellt werden. Damit konnte sich in der Formgebung des Gebäudes auch außerhalb des Rasters, das Strohballen vorgeben, bewegt werden. Die Gebäudemodule wurden in einer Werkhalle witterungsgeschützt vorgefertigt. Insgesamt wurden 121 m³ Stroh eingebaut. Die Entfernung zwischen der Strohversorgung und dem Projekt betrug 150 km. Die Kosten beliefen sich auf 840.000 € für das Projekt, das entspricht etwa 2.100 €/m².

Bei der Sporthalle „De Roomley“, die 2020 in Udenhout (Niederlande) fertiggestellt wurde, handelt es sich mit einer Nutzfläche von 2.568 m² um das größte niederländische Sanierungsprojekt mit Stroh. Dafür wurden Elemente mit einer 32 cm dicken Strohschicht für eine neue Gebäudehülle eingesetzt. Ein lokales Holzbauunternehmen blies in die sieben Meter langen und fast drei Meter hohen Elemente das Stroh ein. Um das Risiko zu vermeiden, dass sich das Stroh während des Transports absenkt, wurde es mit einer zehn Prozent erhöhten Dichte eingeblasen. Insgesamt wurden 260 m³ Stroh eingebaut. Die Entfernung zwischen der Bezugsquelle des Baustrohs und dem Projekt betrug 250 km. Die Kosten beliefen sich auf 2.850.000 € für das Projekt, das entspricht etwa 1.100 €/m².

Strohballen für Neubau und Sanierung

Zwei Männer zwängen den letzten Strohballen in eine Wand.
Im englischen Hastings fügten die Mitwirkenden die Strohballen auf der Baustelle stramm in die Wände ein. (Quelle: Up Straw)

Das sogenannte Bale House („Ballenhaus“) ist seit 2020 das neue Besucherzentrum des Naturparks Hastings Country Park in Großbritannien. Mit einem Holzskelett und den Strohballen wurde das Gebäude als lastabtragende Hybridkonstruktion ausgeführt. Das Gebäude war ursprünglich als reiner lasttragender Strohballenbau geplant, wäre dadurch aber weniger robust gegenüber dem oft sehr harschen Wetter an exponierter Stelle direkt an der Südküste Englands gewesen. Es wurde vom Fundament bis zur Fassade aus natürlichen oder recycelten Materialien erbaut. Für das einstöckige Gebäude war der Einbau von 80 m³ Stroh erforderlich. Die Entfernung zwischen der Bezugsquelle des Baustrohs und dem Projekt betrug 100 km. Die Kosten beliefen sich auf 900.000 € für das Projekt, das entspricht etwa 4.000 €/m².

Das nationale Strohbauzentrum Centre National de la Construction Paille (CNCP) Montargis (Frankreich) ist ein Beispiel für einen Neubau und eine Gebäudesanierung mit Stroh. Das Zentrum entschied sich bei seinem Projekt für eine bioklimatische Architektur und eine Gesamtleistung, die der einer Passivbauweise nahekommt. Als klassischer Strohballenbau wurden dabei die Strohballen auf der Baustelle in Holzrahmen eingelegt. Das Schulungszentrum verfügt über eine Nutzfläche von 315 m² und sollte 2022 fertiggestellt werden. Die Kosten werden auf 920 €/m² geschätzt.

Vier Männer sind damit beschäftigt in eine liegende Holzrahmenwand Strohballen einzubauen.
Auch das Mehrzweckgebäude des Klosters Plankstetten wurde mit Strohballen gedämmt. Diese wurden aber bereits im Rahmen der Vorfertigung in die Außenwände eingebaut. (Quelle: Lorenz Märtl)

Die Benediktinerabtei Plankstetten (Deutschland) baute ihr neues Mehrzweckgebäude als größtes strohgedämmtes Gebäude Süddeutschlands mit eigenem Holz und Stroh. Dafür wurden mit einer mobilen Umpressanlage aus den Großballen der abteieigenen Felder vor Ort 2.050 kleine Strohballen hergestellt und diese von der Baustroh GmbH als Baumaterial ausgewiesen. Der Neubau mit einer Nutzfläche von 1.555 m² wurde 2021 aus vorfertigten Elementen als Holzständerkonstruktion mit Strohballenausfachung erstellt. Es wurden 300 m³ Stroh eingebaut. Die Entfernung zwischen der Strohversorgung und dem Projekt betrug 1,5 km. Die Kosten beliefen sich auf 6.000.000 € für das Projekt, das entspricht 3.858 €/m². Die Kosten enthalten Aufwendungen, die im Zusammenhang mit besonderen Anforderungen an den Brandschutz, den Schutz des kulturellen Erbes und dem Georisiko eines Erdrutsches stehen.

Digitale Arbeitsmittel für alle Bauschaffenden

Die Strohbauten und die daraus gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungswerte waren wichtige Resultate des europäischen Projekts. Darüber hinaus haben die Projektpartner im Rahmen von Up Straw weitergehende Werkzeuge, Arbeitsmittel und Informationsmöglichkeiten entwickelt und zusammengestellt, die von Bauschaffenden genutzt werden können. Dabei handelt es sich um:

BIM: Integration von Stroh

Die Partner des Up-Straw-Projekts haben eine Strohbau-Bibliothek erstellt, auf die BIM-Tools zugreifen können. Dafür wurden zwölf für die Strohbauweise repräsentativer Wände modelliert, aus denen Strohkonstruktionen entwickelt werden können. Die Wände werden in 3D dargestellt, in französischer, englischer und spanischer Sprache kommentiert und zusammen mit einer Liste der verwendeten Materialien und der mit der Software „cocon-bim“ geschätzten Umwelt- und Wärmeleistungsbewertung vorgestellt. Die Informationen sind als PDF- und docx-Dokumente erhältlich und liegen als „BIM-Dateien“ (SKP-, RVT-, PLN-Format) vor, die in Software wie Archicad, ArchLine, Sketchup, Revit usw. importiert werden können. Die Dateien können kostenlos von der Internetseite Bimobject heruntergeladen werden.

www.bimobject.com/fr/up-straw

Online-Lernprogramm (Massive Open Online Course)

Der Titel der Schulung ist „Building for Change – Naturally“ („Bauen für den Wandel – auf natürliche Weise“). Dieser von den Up-Straw-Partnern herausgegebene Fernlehrgang wird in französischer und englischer Sprache angeboten. Er besteht aus sechs Lernblöcken zu den Themen Hintergrund zum Bauen mit Stroh, Stroh als Baumaterial, Strohbautechniken, Bauphysik, Putz und Beplankung und Projektmanagement. Es ist geplant, die Schulung, die sich über sechs Wochen erstreckt, auch zukünftig mindestens einmal pro Jahr anzubieten.

www.mooc-batiment-durable.fr

In deutscher Sprache werden unabhängig vom Projekt Up Straw derzeit praxisorientierte Schulungsangebote für Holzbaubetriebe entwickelt. Wer sich über die Qualifizierungsangebote informieren möchte, kann sich an info@bau-mit-stroh.de wenden. Zudem bietet der Fachverband Strohballenbau Deutschland e.V. (Fasba) gemeinsam mit der Bildungswerkstatt für nachhaltige Entwicklung Weiterbildungen und Veranstaltungen zum Strohballenbau an (www.biwena.de).

Lebenszyklusanalyse strohgedämmter Gebäude

Mit dem Tool zur Lebenszyklusanalyse (englisch: Life Cycle Assessment oder auch Life Cycle Analysis, kurz LCA) von Strohwänden kann man die geringen Umweltauswirkungen von Stroh zeigen und Vergleiche mit anderen Baustoffen erstellen. Auch können die unterschiedlichen Bautechniken und Formate von Stroh miteinander verglichen werden. Mit einer LCA ist es möglich, detailliert zu betrachten, wie sich der Baustoff Stroh in allen Phasen der Wertschöpfungskette auswirkt. Das Nederlands Instituut voor Bouwbiologie en Ecologie (NIBE) unterstützt Länder, die eine Umweltproduktdeklaration (EPD) von Stroh in der nationalen oder europäischen Datenbank wünschen. Die zentrale europäische Datenbank für EPDs ist die Eco-Platform-Datenbank, in der sich auch die EPD für Baustrohballen des Fachverbands Strohballenbau Deutschland e.V. befindet:

https://www.eco-platform.org/

Zotero

Bei Zotero handelt es sich um eine Online-Bibliothek mit mehr als 400 Publikationen zum Thema Strohbau. Die Veröffentlichungen sollen alle Themen abdecken, die mit dem Strohbau in Verbindung stehen, zum Beispiel zu rechtlichen Aspekten, Bautechniken, technischer und ökologischer Leistung, Brandschutz und Akustik sowie wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Die Mehrzahl der Publikationen ist in Englisch verfasst. Der Zugriff auf den Inhalt der Bibliothek ist nach einer Registrierung kostenlos.

www.zotero.org/groups/2187655/upstraw

Nationale und internationale Strohbaunetzwerke

In allen Partnerländern existierten bereits Strohbaunetzwerke (siehe Kasten). In Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien bieten diese Verbände für ihre Mitglieder und für die Öffentlichkeit Informationen an und forcieren die Marktentwicklung des Strohballenbaus. Das Ziel dieser Netzwerke ist es, in ihrem jeweiligen Land über die Verwendung von Stroh im Bauwesen aufzuklären und dafür zu werben. Sie investieren in die Forschung und Entwicklung und streben eine Professionalisierung des Sektors an. Zusätzlich zu den nationalen Netzwerken besteht seit 2015 die European Straw Building Association (ESBA), die sich der Zusammenarbeit, dem Austausch und der Kommunikation rund um das Thema Strohbau in ganz Europa widmet.

zuletzt editiert am 21.11.2022