Vier Jahre nach der Grundsteinlegung wurde der neue Campus der Technischen Universität München (TUM) im Olympiapark offiziell eingeweiht. Das Gebäude wurde größtenteils aus Holz und Glas gefertigt.
Architektonisch prägend des angeblich größten Holzbaus Europas ist das 18 Meter stützenfrei auskragende Vordach aus Holz, das sich auf der Westseite des Gebäudes über die Außenterrasse und einen Teil der neu errichteten Leichtathletikanlage zieht. Rubner Augsburg wurde nach öffentlicher Ausschreibung für den nächsten Bauabschnitt beauftragt. Die Planungen haben begonnen, die Holzbauarbeiten sollen Mitte 2023 abgeschlossen werden.
Kaum ein Ort in Deutschland steht so symbolisch für den Sport wie der Olympiapark in München. Nach ihrer Nutzung als Pressezentrum während der Olympischen Spiele 1972 wurden die bisherigen Bauten ihrer jetzigen Nutzung zugeführt. Seit damals nutzen die Fakultät der Sport- und Gesundheitswissenschaften der Technischen Universität München (TUM) und der Zentrale Hochschulsport (ZHS) das Gelände des TUM Campus im Olympiapark sowie dessen Gebäude im nördlichen Bereich des Parks. Mit zunehmender Lebensdauer traten bei den Bestandsbauten immer größere baukonstruktive und statische Mängel auf. Auch im Bereich des Brandschutzes gab es gravierende Schwachpunkte. Ein Rück- und Neubau der Anlage wurde dadurch unumgänglich.
Licht, Frische und Großzügigkeit
„Licht, Frische und Großzügigkeit“: der Slogan der Olympischen Spiele München 1972 galt auch für den Entwurf des neuen Universitäts-Sportcampus im denkmalgeschützten Olympiapark der bayerischen Hauptstadt. Der Neubau musste zudem nach Anforderung des Bauherrn vom Baustoff bis zum Betrieb ressourcenschonend und energiesparend sein. Zu 80 Prozent wurde der neue Campus deshalb aus Holz gebaut, das „in der schönsten Fabrik der Welt entsteht, im Ökosystem Wald“, so Ministerialdirektorin Brigitta Brunner aus dem Bayerischen Bauministerium. „Dieses Haus ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass Holz ein Baustoff mit langer Tradition und zugleich hochmodern ist. Der Freistaat Bayern, der über den größten Holzvorrat pro Hektar in Europa verfügt, baut daher immer öfter mit Holz.“
Realisierung im laufenden Betrieb
Die Architekten Dietrich I Untertrifaller überzeugten mit der Idee eines klar strukturierten Gebäudekomplexes vornehmlich aus Holz und Glas, gegliedert in je zwei Hallen- und Bürocluster, aufgebaut auf dem Fußabdruck der zu ersetzenden Bestandsbauten von 1972, der sich präzise in die ihn umgebenden Sportflächen einfügt und nach Abschluss des letzten Bauabschnittes die Bestandsbauten komplett ersetzen wird. "Unsere Leidenschaft für den Werkstoff Holz mit seinen hervorragenden technischen und atmosphärischen Eigenschaften auslebend, konzipierten wir einen der größten Holzbauten Europas. Durch den hohen Vorfertigungsgrad konnte er mit höchster Präzision – bei laufendem Betrieb – in kurzer Bauzeit erstellt werden und setzt auch ökologisch neue Maßstäbe", so Prof. Architekt Dipl.-Ing. Much Untertrifaller. Auch das Motto der Fakultät „Integration von Forschung und Lehre in einer Einheit“ ist am baulichen Ensemble im Einklang mit dem denkmalgeschützten Olympiapark gut ablesbar.
Europaweit einzigartiger Gebäudekomplex
Auf einer Bruttogrundfläche von mehr als 42.000 m2, zwei Stockwerken und fast 19.000 m2 Nutzfläche finden 14 Sporthallen, 15 Fußballplätze, 7 Beachvolleyballfelder, 22 Tennisplätze, jeweils eine Hockey- und Golfanlage, 12 Hörsäle, 15 Labore, eine Cafeteria und Bibliothek und nach Fertigstellung des nächsten Bauabschnittes 300 Büros sowie fünf Werkstätten Platz. Der Realisierung des europaweit einzigartigen Gebäudekomplexes mit sechs Innenhöfen liegen zwei Bauabschnitte (BA2 und BA3) – Umsetzung jeweils bei laufendem Betrieb – zugrunde. Nach dem erfolgten Bezug der Gebäudeteile des BA2 werden nun im BA3 die großen Bestandshallen abgebrochen, die Institutscluster errichtet und die Außenanlagen hergestellt.
Ingenieurholzbau par excellence
Beim Projekt TUM Campus im Olympiapark wurde die gesamte Leistungsbreite des gegenwärtigen Ingenieurholzbaus abgerufen und umgesetzt. Neben der kompletten Dachkonstruktion sind die Sporthallen und die Institutsbereiche in Holzbauweise errichtet. Zum Einsatz kommen hierbei neben weitspannenden Brettschichtholzträgern auch Hybriddecken in Holz-Beton-Verbundbauweise mit einer Brettsperrholzbasis, sowie vorgefertigte Holzrahmenwände und Deckenelemente, die zum Teil auch verklebt wurden. Integrierte, deckengleiche Stahlunterzüge, die von BauBuche-Dachträgern abgehängt werden, sind weitere Elemente des „Holzbau-Werkzeugkastens“, die hier zum Einsatz kommen. Die Holzbauweise ermöglichte einen hohen Vorfertigungsgrad und dadurch kurze Montagezeiten. Mit einer entsprechenden Logistik für Planung, Fertigung, Anlieferung und Montage konnten die Hallencluster des BA2 in jeweils nur zwei Monaten Bauzeit errichtet werden.
18 Meter auskragendes und 150 Meter langes Vordach
Architektonisch herausragend und prägend: Das stattliche, auf Pendelstützen gelagerte Vordach-Süd in Holzbauweise, der „größte Hingucker des Projekts“ (Brigitta Brunner) und beeindruckende 18,3 m weit auskragend. Das Tragsystem der nicht alltäglichen Konstruktion besteht aus 40 Hohlkastenelementen und überdacht auf einer Länge von rund 150 m großzügig die 100-Meter-Laufbahn und Außenterrasse. Die Dachelemente mit 28 m Länge, 3,75 m Breite, 1,6 m Höhe und einem Gewicht von jeweils 19 t liegen auf lediglich vier Punkten auf: auf jeweils zwei Druck- und zwei Zugstützen. Dafür waren Querträger über die Elementbreite in den beiden Auflagerachsen erforderlich. Diese sammeln die Querkräfte der Längsträger ein und lasten diese alle 3,75 m auf den Pendelstützen ab. Die Querträger sind in den Elementen höhengleich integriert, die Längsträger sind am Auflagerquerträger der äußeren Auflagerachse gestoßen und für die Querkraftübertragung an diesen angeschlossen. Die Momente des Kragbereiches werden als Zug- und Druckkomponenten über die an dieser Stelle durchlaufenden Furnierschichtholzplatten des Ober- und Untergurtes in den Feldbereich übertragen.
Die Hohlkastenelemente, die in dieser Dimensionierung und mit einer Auskragung von mehr als 18 m bislang noch nicht produziert und verbaut wurden, erforderten optimale Fertigungsbedingungen, wie sie nur witterungsunabhängige Produktionshallen – konkret am Produktionsstandort von Rubner in Ober-Grafendorf – bieten können. Schon im Zuge der detaillierten Werkplanung wurden mit den anderen Gewerken die Details besprochen, abgestimmt und gemeinsam mit der Logistik und dem Transport in der Gesamtplanung berücksichtigt. Die Vorteile waren eine Terminsicherheit mit sehr genauen Zeit- und Ablaufplänen, höchste Präzision und Qualität, kein Improvisieren auf der Baustelle, Unfallprävention sowie kurze Montage mit ökonomischen Vorteilen für den Bauherrn.
Werksseitige Vorfertigung und Montage just-in-time
Unter der Leitung von Rubner Augsburg wurden für die Sporthallen, Institutsbereiche und die komplette Dachkonstruktion in Holzbauweise insgesamt 11.690 m2 Dach- und Deckenelemente, 7.430 m2 Wandelemente, 610 m2 Holz-Beton-Verbunddecken sowie rund 1.000 m3 Brettschichtholz und 330 m3 Brettsperrholz produziert, vorgefertigt, just-in-time an der Baustelle angeliefert und in kurzer Zeit montiert.
Mit der Inbetriebnahme nutzen 2.400 TUM- und LMU-Studierende sowie etwa 17.000 Sportaktive pro Semester aller Münchner Universitäten und Hochschulen die neuen Anlagen auf einer Fläche von 34 Hektar. Zudem haben 125.000 Studierende und 30.000 Angestellte Zugang zum ZHS.Die Holzbauarbeiten für die neuen, zweigeschossigen Bürogebäude des aktuell in Realisierung befindlichen Bauabschnittes BA3 sollen Mitte 2023 abgeschlossen werden.