Der hohe CO2 Ausstoß des Bausektors erfordert dringend ein Umdenken und eine Bauwende. Das ist die Meinung vieler Bauschaffender, die sich für ein nachhaltiges Bauen einsetzen. Auch auf einer gemeinsamen Tagung von Natureplus e. V. und Architects for Future fand diese Forderung viel Zuspruch.
Am 9. September fand in Berlin die Fachkonferenz "Re.think Building – Materialien und Lowtech für klima- und kreislaufgerechtes Bauen“ statt. Der Mitveranstalter Natureplus e. V. nutzte die Tagung zugleich, um sein 20jähriges Jubiläum zu feiern. Der Verein hat es sich bereits 2002 zum Ziel gesetzt, das nachhaltige Bauen zu fördern und vergibt seitdem ein Umweltzeichen, welches die Einhaltung definierter Qualitätsnormen auf allen für die Nachhaltigkeit relevanten Gebieten von Baustoffen bestätigen soll.
Gemeinsam mit Architects for Future organisierte Natureplus e.V. die Tagung. Entsprechend stand während der Veranstaltung die Transformation des Bausektors im Mittelpunkt.
Musterbauordnung und Vergaberecht novellieren
Bereits zu Beginn mahnte Keynote-Sprecher Dr. Stephen Richardson der Non-Profit-Organisation World Green Building Council, dass rund 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes auf den Bausektor zurückgehen, weswegen „Metanoia“, also ein grundlegender Sinneswandel dringend notwendig sei.
Theresa Keilhacker, Präsidentin der Architektenkammer Berlin, betonte, dass viel Anstrengung erforderlich sein wird, um die Bauwende voranzubringen. „Der Bausektor war schon immer sehr konservativ aufgestellt und steht unter ökonomischen Druck. Das nachhaltige Planen und Bauen muss aber das neue Normal werden, dabei sind alle am Bau Beteiligten in der Pflicht.“ forderte sie. Das Bauen im Bestand müsste in der Musterbauordnung verankert und rechtlich abgesichert werden, denn die Haftungsfragen sind groß. Der Abriss von Gebäuden sollte genehmigungspflichtig werden und KfW-Mittel müssten an die Ökobilanzierung gekoppelt werden.
Thomas Graber ergänzte als Vorstandsmitglied des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks die Sicht der Gewerke und betonte, dass sich das Vergaberecht ändern müsse. Statt des billigsten Angebots sollte dem nachhaltigsten Angebot der Auftrag erteilt werden.
Lowtech und Bestandsumbau kann die Zukunft sein
Am Nachmittag folgten in zwei Foren weitere Stimmen aus der Branche, eines davon unter dem Titel "Denkanstöße & Best Practices für Umnutzung, Aufstockung und Low-Tech-Potenziale". Dr. Edeltraud Haselsteiner vom Forschungsinstitut Urbanity aus Wien setzte in ihrem Vortrag auf robuste Gebäude mit Lowtech Design. Elektronische Bauteile und Gebäudetechnik sollen möglichst vermieden werden. Denn diese seien wegen einer im Vergleich zum Gebäude deutlich kürzeren Lebensdauer nicht besonders nachhaltig und benötigen hohe Investitionskosten im Verhältnis zu erreichbaren Einsparungen.

Kerstin Müller, Architektin des Schweizer Baubüros „in Situ“ und Geschäftsführerin der zirkular GmbH, zeigte einige Best-Practice-Beispiele für zirkuläre Architektur von Umbauten von Gebäuden aus den 70er und 80er Jahren. Jörg Finkbeiner, Geschäftsführer von Partner & Partner Architekten, stellte die Cradle-to-Cradle-Prinzipien und einige Projekte vor, die mit wenig Technik auskommen, aber dank der gewählten Baustoffe dennoch energieeffizient seien und eine behagliche Nutzung ermöglichen würden. Bei der anschließenden Diskussion kam aus dem Publikum der Vorschlag, die Erfassung des Bestandes zu systematisieren und qualitativ zu klassifizieren. Es brauche Bewertungstools, um Gebäude vor dem Abriss zu retten.
In der Abschlussrunde stellte Dominik Campanella „Concular“ vor, ein digitales Ökosystem für zirkulares Bauen. Auch Angelika Drescher, Projektleiterin der „Bauhaus der Erde gGmbH“ betonte nochmal, dass es dringend sei, die notwendige Transformation von Städten zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz zu befördern.
Emanuel Lucke von Architects for Future fasste abschließend den gemeinsamen Konsens der Tagung wie folgt zusammen:
- Abriss umgehen
- Urban Mining nutzen
- Downcycling vermeiden