Brandschutz – Teil 2 Wie beim Holzbau gibt es beim Strohballenbau Vorurteile oder Vorbehalte bezüglich des Brandschutzes. Der Beitrag erläutert, wie mit den vorliegenden Nachweismöglichkeiten prinzipiell die brandschutztechnischen Anforderungen bei (Wohn-)Gebäuden geringer Höhe (Gebäudeklasse 1 bis 3) erfüllt werden können. Dabei werden die Grenzen der vorhandenen brandschutztechnischen Nachweise gezeigt, aber auch das Potenzial benannt, wo neue Möglichkeiten im feuerhemmenden Strohballenbau geschaffen werden können.
Dr. Judith Küppers, Benedikt Kaesberg
Zwei Bauweisen werden im Strohballenbau unterschieden: ausfachender Strohballenbau, bei dem sich die Ballen als Dämmung in Holzrahmen befinden, und lasttragender Strohballenbau ohne Holztragwerk, bei dem die Strohballen auch zum Lastabtrag zum Beispiel aus der Dachkonstruktion dienen.
Der ausfachende Strohballenbau verfügt als Bauart über ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP) P-3048/817/08-MPA BS vom 08.12.2014, ausgestellt von der MPA Braunschweig. Darin ist der Wandaufbau genau beschrieben, und es sind die Brandschutzeigenschaften der geprüften Wand festgehalten. Außerdem liegt eine Europäische Technische Bewertung (ETA) für Baustrohballen als Dämmstoff vor, die ETA-17/0247 vom 21.07.2017 über „Baustroh“, ausgestellt von Deutschen Institut für Bautechnik. Unter Einhaltung einiger Parameter wie Anforderungen an die Rohdichte und den Feuchtegehalt können so aus „einfachen“ Strohballen vom Feld Baustrohballen werden. Im Bauwerk erfüllen sie die drei Funktionen Wandbildner, Wärmedämmung und Putzträger. Sie sind laut der ETA als normalentflammbar klassifiziert, damit in dieselbe Klasse eingestuft wie Holz und erfüllen somit die baurechtliche Mindestanforderung an das Brandverhalten von Materialien, die als Baustoffe verwendet werden sollen (§ 26 MBO /3/). Für diese Einstufung wird der sogenannte Kleinbrennertest durchgeführt.
Mit diesen beiden Dokumenten können die Brandschutzanforderungen bei Strohballenbauten bis einschließlich Gebäudeklasse 3 erfüllt bzw. nachgewiesen werden. Dazu gehören üblicherweise Einfamilienhäuser sowie Mehrfamilienhäuser geringer Höhe (siehe vereinfachte Darstellung in Tabelle 1). Beispiele sind die neu erstellten zwei- bis dreigeschossigen Wohngebäude „Strohpolis“ (dreigeschossig), „Windrose“ und „Libelle“ (Bild 2) im Ökodorf Sieben Linden. In der Ortschaft in Sachsen-Analt befinden sich 14 Strohballenhäuser. Mehrere Meilensteine in der Geschichte des Strohbaus in Deutschland entstanden seit 2001 in Sieben Linden, etwa verschiedene Häuser in Strohbauweise, die jeweils wichtige Schritte für die Entwicklung und Durchsetzung der Strohbauweise insgesamt waren, so auch das erste Gebäude, das in Deutschland eine Baugenehmigung für den Bau mit dem Baustoff Strohballen erhalten hat.
Für die Sanierung können strohgedämmte Fassadenelemente zum Einsatz kommen. So lässt die Stadt Oberhausen zurzeit fünf Lehrschwimmbäder mit vorgefertigten Fassadenelementen mit Strohdämmung ertüchtigen, die der Gebäudeklasse 3 entsprechen (siehe Bild 3). Als Sonderbau waren die Anforderungen an Feuerbeständigkeit der tragenden und aussteifenden Bauteile bereits durch die Bestandswände erfüllt. Die Strohelemente sind in diesem Fall folglich als Außenwandbekleidung bzw. als Fassade zur energetischen Sanierung eingesetzt. Laut der Stadt Oberhausen ist es damit eines der größten Strohdämmprojekte Europas und ein Baustein des aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung geförderten Projekts „Digitalisierung als Schlüssel zum Klimaschutz – intelligentes Energiemanagement von Lehrschwimmbädern – Das Oberhausener Modell“.


In allen Gebäudeklassen gibt es für Kellergeschosse Anforderungen an den Feuerwiderstand tragender und aussteifender Bauteile (§ 27, Abs. 2 MBO). In den Gebäudeklassen 2 und 3, also für nicht freistehende Gebäude unter 7 m und/oder mit mehr als zwei Nutzungseinheiten und/oder mehr als 400 m², müssen tragende und aussteifende Bauteile auch für oberirdische Geschosse mindestens feuerhemmend sein (§ 27, Abs. 1 MBO). Tabelle 1 veranschaulicht dies vereinfacht. Wie auch darüber hinaus Strohballenbauten realisiert werden können, wurde in Teil 1 dieses zweiteiligen Beitrags (siehe Der Zimmermann 2.2023) thematisiert.
Für lasttragende Strohballenbauten liegen derzeit keinerlei bauaufsichtlich anerkannten Nachweise vor. Erste Forschungsergebnisse zum lasttragenden Strohballenbau gibt es jedoch bereits seit Längerem. Derzeit gibt es dazu Projekte in Thüringen wie das Forschungsvorhaben „LaStrohBau – Lastabtragender Strohballenbau für landwirtschaftliche Nutzbauwerke und Wohngebäude – Erarbeitung statisch-konstruktiver und bauphysikalischer Bemessungsgrundlagen“.

Grenzen und Herausforderungen
Neben den bauaufsichtlich anerkannten Nachweisen (abP und ETA) hat der Fachverband Strohballenbau 2014 eine Strohbaurichtlinie verfasst, die 2019 überarbeitet wurde. Diese gründet in Forschungsergebnissen und praktischen Erfahrungen und wird von der Mehrheit der Fachleute als richtig anerkannt und angewendet. Gemäß diesen vom DIBt ausformulierten Kriterien könnte sie als anerkannte Regel der Technik betrachtet werden. Normen oder gar (eingeführte) Technische Baubestimmungen existieren nicht.
Das abP ist ein Anwendbarkeitsnachweis gemäß § 16a Abs. 3 MBO i. V. m. M-VV-TB Teil C 4 /8/. Darin ist der geprüfte Wandaufbau inklusive der Bekleidungen auf beiden Seiten exakt beschrieben. So ist auf beiden Wandseiten eine Verputzung mit mindestens 8 mm Lehm bzw. 10 mm Kalk von jeweils einem konkret benannten Hersteller zu verwenden. Bild 4 zeigt den Wandaufbau (mit Abmessungen von 3 m × 3 m) während der Brandprüfung. Zum Bestehen der Brandprüfung darf unter anderem auf der brandabgewandten Seite während der Prüfzeit (30 Minuten im vorliegenden Fall „feuerhemmend“) die Temperatur nicht um mehr als 140 K im Mittel und an keiner Stelle um mehr als 180 K steigen.

Im Anschluss an die Erbauung einer solchen Wand muss der Errichter (SB) die Übereinstimmung mit dem abP bestätigen. Dieser Nachweis umfasst – wie auch für auch andere Baustoffe und Bauarten – die Möglichkeit der Erklärung einer nicht wesentlichen Abweichung. Als nicht wesentliche Abweichungen gelten solche, die keinen Einfluss auf die Feuerwiderstandsfähigkeit der Konstruktion haben bzw. mit denen sich die Feuerwiderstandsklasse der Konstruktion nicht verschlechtert. Voraussetzung dafür ist somit entsprechende Erfahrung mit der Bauweise und den zugrundeliegenden (Brand-)Prüfungen. Üblicherweise wird in diesem Zusammenhang auf die Erfahrung des Herstellers bzw. Nachweisinhabers zurückgegriffen.
Im Zuge der Nachweisführung kann eine nicht wesentliche Abweichung auch über eine gutachterliche Stellungnahme beurteilt werden. Aus diesem Grund findet sich eine solche gutachterliche Stellungnahme auf der Internetseite des Fachverbandes Strohballenbau. Die bauaufsichtliche Anerkennung dieses Vorgehens ist laut einer Mitteilung des Deutschen Instituts für Bautechnik vom 24.08.2018 umstritten.
Unbestreitbar kann in einem Brandschutzkonzept die Planung des konkreten Bauprojekts in Bezug auf die bauordnungsrechtlichen Anforderungen einer Risikobetrachtung und kritischen Überprüfung unterzogen werden und im Zuge der Baugenehmigung als geeignet erklärt werden. Brandschutzkonzepte werden vorwiegend für Sonderbauten erstellt, sind aber auch bei anderen Bauten denkbar, insbesondere bei aufgrund ihrer Bauweise besonderen Gebäuden (siehe auch Teil 1 in Der Zimmermann 2.2023).
Weiter besteht bei Abweichungen zum abP die Möglichkeit einer vorhabenbezogenen Bauartgenehmigung. Dieser Weg ist jedoch mit einem gewissen Aufwand verbunden, kann sich unter Umständen als langwierig gestalten und ist ergebnisoffen.
Die Praxis bzw. Anfragen im Zusammenhang konkreter Bauvorhaben zeigen, dass vor allem die folgenden Details im Bauteilaufbau auch anders gestaltet werden möchten:
- Weniger dicker Wandaufbau mit dünneren Ballen und Holzständern statt 36 cm starker Holz-Stroh-Konstruktion;
- Variabilität der Bekleidungen innen und außen statt Verputzung mit spezifischen Produkten.
- Ein abP, das besonders in Bezug auf diese Grenzen mehr Varianz für Wandaufbauten böte, würde dem Strohballenbau neue Möglichkeiten eröffnen.
Zusammenfassung und Ausblick
Mit den vorhandenen Nachweismöglichkeiten im Brandschutz sind in den letzten Jahren Dutzende vorbildliche Strohballenbauten errichtet worden. Bewährt hat sich dabei die frühzeitige Beteiligung von Fachkräften aus dem Bereich des Strohballenbaus sowie bei brandschutztechnischen Fragestellen auch von entsprechenden Fachplaner*innen. Diesen dienen neben ihrer Erfahrung wiederum die genannten bauordnungsrechtlichen Nachweise als Grundlage für Planung und Ausführung.
Neben dem erwähnten Erfahrungsgewinn auf der baupraktischen Seite stellen Brandversuche an strohgedämmten Wandelementen im In- und Ausland in Aussicht, dass eine gewisse Variabilität in der Gestaltung feuerhemmender Strohballenwände erreicht werden kann. Im Zusammenhang mit einem kürzlich bewilligten Forschungsvorhaben soll eine entsprechende Brandprüfung erfolgen und – bei erfolgreichem Verlauf – in ein weiter gefasstes abP münden. Das ist auch deshalb erstrebenswert, weil es eine breitere Anwendbarkeit der Strohballenbauweise ermöglichen würde mit entsprechender Relevanz für einen Umbau der Baubranche hin zur Klimaneutralität.
Der Beitrag ist in Der Zimmermann 3.2023 erschienen.