Wer Dachstühle elementiert, hat gegenüber dem konventionellen Richten von Einzelbauteilen schon eine Menge für die Absturzprävention getan. Ein Absturz nach innen ist weniger wahrscheinlich. Trotzdem gibt es noch die Absturzkante am Elementrand. Wie im vorigen Artikel "Sichere Verlegung von Deckenelementen" in Der Zimmermann 10.2022 werden die Maßnahmen wieder mit zunehmender Wirksamkeit vorgestellt: Das Beste zum Schluss!
Dachelemente sind in Planung, Herstellung und Verlegung anspruchsvoller als Deckenelemente. Sie müssen Anforderungen an Wind-, Luft- und Regendichtheit erfüllen. Daher sollten Betriebe, die bisher nur Wände elementiert haben, zunächst mit Deckenelementen beginnen. Erst wenn sie damit Erfahrung gesammelt haben, sollten sie sich an Dachelemente trauen. Als Einstiegsprojekt sollte ein einfaches Satteldach dienen, keine Schiftung.

Gefährdungsbeurteilung und Montageanweisung
Vorher muss in der Gefährdungsbeurteilung auf diese neue Montageart eingegangen werden, weil sie sich grundsätzlich vom herkömmlichen Richten von Dachstühlen unterscheidet. Die Elemente sind deutlich schwerer und größer als Einzelbauteile. Zusätzlich zur Gefährdungsbeurteilung und in Verbindung mit ihr sollte daher auch eine Montageanweisung erstellt werden. Diese beschreibt den Montageablauf und zwingt die verantwortliche Person, den gesamten Prozess zu durchdenken. Und das ist gut so! Manche schlimmen Unfälle sind passiert, weil Teams unvorbereitet mit neuen Montageaufgaben auf die Baustelle gefahren sind und sich aus Überforderung zu gefährlichen Improvisationen haben hinreißen lassen. Die Montageanweisung enthält Angaben zum Kran, seinem Standort, zu Anschlagmitteln und Anschlagpunkten an den Elementen.
In Neigung bringen
Anders als Deckenelemente müssen Dachelemente nach waagerechtem Transport vor dem Absetzen auf die Pfetten annähernd in Dachneigung gebracht werden. Keinesfalls sollten sie waagerecht am Kran hängend an der Firstpfette aufgesetzt und dann abgelassen werden. Würden sie versehentlich abrutschen, käme es zu extremen Pendelbewegungen.
Oft werden Kürzketten verwendet, um die Elemente in Neigung zu bringen. Komfortabler geht das mit Lastbalancern, die per Funk gesteuert werden. Sie helfen auch bei fehlerhafter Schwerpunktermittlung von Wandelementen. Ungewollte Schieflagen werden per Funk korrigiert.
S-T-O-P-Prinzip
Beim Durchdenken des Montageablaufs werden die Arbeitsschritte deutlich, in denen sich Personen in Bereichen mit Absturzgefahr aufhalten. Dagegen müssen in der Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen festgelegt werden. Nach dem S-T-O-P-Prinzip sind vorrangig Maßnahmen auszuwählen, mit denen die Gefährdung substituiert (also ersetzt) wird. Das heißt, dass Bereiche mit Absturzgefahr gar nicht betreten werden müssen. Im letzten Artikel (siehe Der Zimmermann 10.2022) wurde gezeigt, wie die Elemente nach dem Absetzen per Funk oder automatisch vom Kran gelöst werden können. Allerdings müssen die Dachelemente nicht nur vom Kran gelöst, sondern auch mit den Pfetten verbunden werden. Dazu müssen sie (noch) betreten werden.

Technische (kollektive) Maßnahmen sind unabhängig vom Unterweisungsstand oder der Einstellung der Beschäftigten zu den Sicherungsmaßnahmen wirksam. Ein Seitenschutz verhindert einen Absturz. Auffangeinrichtungen wie Fanggerüste, Netze oder Soft Landing Systems (Luftsäcke am Boden) mildern die Folgen eines Absturzes.
Maßnahmen im organisatorischen Bereich reduzieren die Absturzgefahr durch geänderte Montageabläufe.
Maßnahmen im persönlichen Bereich wie Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) haben die geringste Wirksamkeit. Auch gesichert besteht noch ein hohes Verletzungsrisiko bei einem Absturz. Voraussetzung für den Einsatz sind ausreichende Unterweisung und ein praktisch geübtes Rettungskonzept.
Mindestens PSAgA
Bild 2 zeigt die Sicherung mit ausziehbarem Höhensicherungsgerät (HSG) an einer am Sparren angeschraubten Anschlageinrichtung. Ein Sicherheitsdachhaken ist auch geeignet, birgt aber ein gewisses Stolperrisiko. Um bei einem Absturz auftretende Kräfte aufnehmen zu können, muss das Element ausreichend mit dem Bauwerk verbunden sein. Dank der Lattung ist das Pendelsturzrisiko geringer als beim glatten Deckenelement. Mit dem Rückhaltesystem mit längenbegrenztem Verbindungsmittel im HSG wird ein Sturz über den Elementrand verhindert.
In Bild 3 gewährt ein HSG an einer Schiene größere Bewegungsfreiheit. Um Abstürze auf der Dachfläche aufzufangen, werden Schnapper eingesetzt oder automatisch bremsende Läufer verwendet (siehe Detail in Bild 3).
Seitenschutz ist besser
In Bild 4 wurden am Rand Gurte gespannt. Diese Maßnahme gilt aber nur als Seitenschutz, wenn sie strenge Verformungsgrenzwerte einhält. In zwei Meter Abstand vom Rand wäre ein Tau als organisatorische Maßnahme ausreichend, aber im Montageablauf nicht sinnvoll.

Personensicherungsmodus (PSM)
Wenn zusätzlich zum Kran für die Dachelemente ein weiterer Kran mit Personensicherungsmodus (PSM) zur Verfügung steht, kann mit ihm eine Person mittels HSG gesichert werden (Bild 5). Das HSG ist doppelt anzuschlagen. Durch das Anschlagen nach oben ergibt sich nach einem Absturz nur eine sehr geringe Falltiefe. Besonders wichtig bei dieser Sicherungsart ist eine gute Abstimmung unter den Kranführenden. Auch wenn diese Lösung sehr technisch wirkt, ist sie doch lediglich eine Maßnahme im Bereich „P“ und sollte erst zum Einsatz kommen, wenn andere, wirksamere Maßnahmen ausscheiden.

Technische Maßnahme Seitenschutz
Besser als der Einsatz von PSAgA sind technische Maßnahmen, beispielsweise ein Seitenschutz. Wenn solche Maßnahmen umsetzbar sind, haben sie Vorrang vor PSAgA-Lösungen. Im Folgenden werden zwei Lösungen vorgestellt, die einen Absturz am Elementrand zuverlässig verhindern. Bild 6 zeigt ein Seitenschutzsystem (Lux-top), das seit vielen Jahren zur Absturzsicherung auf Flachdächern eingesetzt wird. Für die Messe Dach + Holz wurde es so modifiziert, dass es auch auf Decken- und Dachelementen eingesetzt werden kann. Das System ist modular aufgebaut, variabel konfigurierbar und kann für den Transport auch zusammengeklappt werden. Die Seitenschutzelemente werden idealerweise schon auf der Lkw-Ladung an die Dachelemente geschraubt und sind sofort nach dem Absetzen des Elements auf den Pfetten wirksam. Diese kollektive, technische Maßnahme schützt alle Beschäftigten auf dem Dach – ob sie die Maßnahme für sinnvoll halten oder nicht. Auch am Firstrand besteht Absturzgefahr. Der Seitenschutz kann dort problemlos aus Standardbauteilen rechtwinklig zur Dachfläche angeordnet sein. Um das Verschrauben des Elements mit der Firstpfette (Bild 7) zu ermöglichen, sollten die Geländerstützen so positioniert werden, dass die Kervenbohrungen zugänglich bleiben. Nachdem das zweite Element verlegt und fixiert ist, kann der Seitenschutz am Elementstoß abgeschraubt werden. Der Seitenschutz am Firstrand muss so lange montiert bleiben, wie dort Absturzgefahr besteht, also bis das gegenüberliegende Element montiert ist. Folglich werden mehr Seitenschutzelemente benötigt, wenn zunächst nur eine Dachhälfte verlegt wird. Bei wechselseitiger Verlegung der gegenüber liegenden Elemente kann im Idealfall ein Satteldach mit zwei Sets sicher montiert werden. In der in Bild 6 gezeigten Situation ist auch am äußeren Rand ein Seitenschutz erforderlich, weil die Absturzhöhe auf das Fanggerüst am Giebel in manchen Bereichen größer als 2 m ist. Bei kleinerem Giebelüberstand oder einem Dachelement, das direkt am Ortgang beginnt, wäre dieser Seitenschutz an der Außenkante nicht erforderlich, da dort das Giebelgerüst als Auffangeinrichtung wirksam wäre. Bild 8 zeigt das Anschlagen des überflüssig gewordenen Seitenschutzes. Er wird mit der Dachtraverse zum Lkw gehoben und dort auf das nächste Element geschraubt.

Handwerklich geht auch
Es mag für manche Zimmerleute überraschend sein, aber auch ein einfaches Holzgeländer kann ein zulässiger Seitenschutz sein. Bild 9 zeigt einen handwerklichen Seitenschutz. Er muss mindestens aus Brettern oder Bohlen der Sortierklasse S10 bestehen. Bis 2 m Stützenabstand reicht ein Querschnitt von 3/15 cm, bis 3 m Stützenabstand ein Querschnitt von 4/20 cm.

Was der Bauer nicht kennt ...
Manche Zimmerleute, die bereits Profis in der Montage von Decken- und Dachelementen sind und bisher ohne Sicherung gearbeitet haben, werden vielleicht den Mehraufwand an Kosten und Zeit für das Anbringen und Versetzen der Seitenschutzlösung kritisieren. Ohne Zweifel stellt das Herstellen, Transportieren und Anbringen eines Seitenschutzes einen Mehraufwand dar. Bei genauerer Betrachtung beider Montagearten ist der Geschwindigkeitsvorteil beim Arbeiten ohne Seitenschutz aber gar nicht mehr so groß wie zunächst vermutet. Wenn erst ein Seitenschutz an den Elementen angebracht werden muss, ist die Taktzeit bis zum nächsten Element länger. Die Beschäftigten auf dem Dach müssen etwas warten, bis das nächste Element am Kran einschwebt. Aber spätestens nach Verlegung des zweiten Elements kann diese Wartezeit für die vollständige Verschraubung der Elemente mit den Pfetten und die Abdichtung der Stoßfuge genutzt werden. Bei der schnelleren Verlegung ohne Seitenschutz werden solche Arbeiten meist erst nach vollständiger Verlegung aller Elemente ausgeführt. Damit reduziert sich der Geschwindigkeitsvorteil wieder etwas.
Vielleicht lehnen manche Kolleginnen und Kollegen diese Lösung auch mit dem Argument ab, dass ihre Firma nur die fittesten und routiniertesten Beschäftigten auf solche Arbeitsplätze lässt und dass bisher noch nie etwas passiert sei. Das mag sein. Glückwunsch! Aber die Erfahrung und leider auch die Statistik zeigen, dass es immer wieder zu kleinen Missgeschicken wie Stolpern, Ausrutschen, Ermüdung oder Abgelenktsein kommt, die gefährliche Folgen haben können, wenn man sich dabei gerade ungesichert an einem gefährlichen Arbeitsplatz befindet. Stolpert man dagegen auf einem mit Seitenschutz gesicherten Dachelement, schmerzt das auch, aber man stürzt nicht mehrere Meter tief über die Absturzkante bis auf den Boden.

Schweizer Holzbau wird von deutschen Zimmerleuten oft als sehr fortschrittlich wahrgenommen. Warum nehmen wir uns die Schweiz nicht auch im Blick auf Arbeitssicherheit als Vorbild? Dort sind Seitenschutzlösungen bei der Verlegung von Decken- und Dachelementen bereits üblich.

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Absturzpräventation auf Dachelementen
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