Schwarzwaldhaus Gütenbach
Schwarzwaldhaus Triberg-Gremmelsbach. Foto: bmH bauen mit Holz

Technik 2020-04-20T00:00:00Z Schwarzwaldhaus: Einzigartige Sanierung als Zeugnis außergewöhnlicher Zimmereikunst

Der Zimmermeister Johannes Göppert aus Schönwald im Schwarzwald und seine Kollegen sanierten ein altes Schwarzwaldhaus von 1824. Die Bauaufgabe war spannend. Das Ergebnis ist einzigartig und ein Zeugnis außergewöhnlicher Zimmereikunst. Es zeigt, dass es sich bei allem Fortschritt durchaus lohnen kann, Traditionen und Traditionelles zu erhalten. Auch oder vielleicht vor allem im Holzbau.

Es war alt, es war kaputt, es war verbaut und es war eigentlich fast abbruchreif: Das traditionelle Schwarzwaldhaus in Hübschental bei Gütenbach hatte seit seiner Erbauung 1824 zahlreiche Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen erfahren. Wie so oft fanden sich an dem historischen Schmuckstück nachträgliche Anbauten, Bekleidungen und Bauteile, die in einen traditionellen Bau einfach nicht hineingehören. So hatten frühere Handwerker beispielsweise die gesamte Fassade mit Faserzementschindeln bekleidet. Auch Kunststofffenster hatte man dem Haus verpasst – in Weiß selbstverständlich.

Schwarzwaldhaus Gütenbach
Schwarzwaldhaus Triberg-Gremmelsbach. Foto: bmH bauen mit Holz


Der historische Dachstuhl, ein Pfettendach mit liegendem Stuhl im hinteren und mit stehendem Stuhl im vorderen Gebäudebereich, war über die Zeit ebenfalls stark verändert worden. So hatte man eine große Dachgaube eingesetzt und auf beiden Traufseiten Widerkehre angebaut. Ihre Firsthöhen verliefen in der Höhe des Hauptdachfirstes. Dementsprechend groß waren die dafür erforderlichen Dachausschnitte im Hauptdach.

Schwarzwaldhaus
Eine Dachgaube, Anbauten, eine Fassade aus Faserzementschindeln und Kunststofffenster: Über die Zeit hatte man das traditionelle Schwarzwaldhaus mit allerlei wenig Traditionellem versehen und es damit stark verbaut. Foto: Johannes Göppert


Einer wollte es erhalten

Dennoch fand sich ein Bauherr, der die Herausforderung annehmen und dem Schmuckstück seinen ursprünglichen Charme zurückgeben wollte. Möglichst viel der alten Bausubstanz sollte erhalten bleiben. Die Baufamilie war auf der Suche nach einem Wochenendhaus. Doch sollte es nicht irgendeines sein, sondern ein ganz besonderes. Eines, das nach einer arbeitsreichen Woche zu Hause in Villingen-Schwenningen einlädt, die Seele baumeln zu lassen. Eines, in dem die Uhren scheinbar anders ticken, sich etwas langsamer drehen. Ein Unikat eben.

Schwarzwaldhaus Gütenbach
Schwarzwaldhaus Triberg-Gremmelsbach. Foto: bmH bauen mit Holz


Zimmermeister Johannes Göppert aus Schönwald vermittelte und erklärte dem Bauherrn, dass die Sanierung zwar sehr aufwendig werden, im Ergebnis aber genau das bieten werde, was die Familie suchte. Und so gingen Baufamilie und Zimmerer die Bauaufgabe gemeinsam an – mit allen Höhen und Tiefen. „Es gab mehrere Situation, bei denen die Baufamilie ins Zweifeln geriet“, verrät Göppert im persönlichen Gespräch. „Kaum hatten wir ein Stück Wand geöffnet, wurde klar, dass da noch viel mehr kaputt war, als vermutet. So war es auch bei den Decken, und so war es beim Dach.“ Dann habe der Zimmermeister der Baufamilie gut zugeredet und erklärte, wie die Schäden behoben werden können. Bei einer solchen Baumaßnahme seien gegenseitiges Vertrauen und offene Worte besonders wichtig, zeigt sich Göppert überzeugt. Wenn man stattdessen ausschließlich über die Kosten verhandelt, könne ein solches Bauvorhaben nicht funktionieren.

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Behutsamer Umgang ist wichtig

Schwarzwaldhaus Gütenbach
Schwarzwaldhaus Triberg-Gremmelsbach. Foto: bmH bauen mit Holz


Die Außenwände wurden entkernt und im vorderen Stüblebereich wieder in der traditionellen Ständer-Bohlenbauweise mit einem Fenstererker versehen. Außerdem wurden sie wieder wie ursprünglich mit Holz verschindelt. Das bot die Möglichkeit, eine Holzfaserdämmung einzubauen. Teilweise erhielten die Ständer-Bohlen-Außenwände eine Innendämmung aus Holzfaserplatten. Auch einige in dem Haus vorhandene Mauerwerkswände wurden damit gedämmt. Beheizt wird das Gebäude mittlerweile mit einem Kachelgrundofen und einem Küchenherd. Auf diese Weise erfüllt es die Anforderungen der EnEV 2009.


Schwarzwaldhaus
Zahlreiche Dachbauteile mussten komplett erneuert werden. Einige der alten Hölzer konnten aber wiederverwendet werden. Teilweise konnten sie sogar mit durch die Abbundanlage geschoben werden. Foto: Johannes Göppert

Historische Balken in der Abbundanlage

Im Dach konnten Teile der ursprünglichen Binderkonstruktionen erhalten werden. Einige Sparren mussten aber erneuert werden. Dennoch verwendeten die Zimmerleute möglichst viele Originalhölzer. Dank eines genauen Aufmaßes war es sogar möglich, die Sparren, Grate und Schifter mithilfe einer Abbundanlage herzustellen. Selbst einige der Originalhölzer schob Johannes Göppert durch den Automaten. Die alten Balken seien sehr maßhaltig und trocken gewesen, erinnert sich der Zimmermeister und das Abbundergebnis war sehr gut.

Schwarzwaldhaus Triberg-Gremmelsbach.
Schwarzwaldhaus Triberg-Gremmelsbach. Foto: bmH bauen mit Holz


Das Dachgebälk wurde von oben mit einer sichtbaren Schalung aus breiten Fichtenholzbrettern verschalt. Dadurch bleibt die traditionelle Dachkonstruktion sichtbar. Es wurde nicht versucht, die neuen Bauteile zu verstecken oder auf alt zu trimmen. Alt und neu stehen und liegen wertfrei nebeneinander. Sie erzeugen eine gewisse Spannung und werden sich über die Zeit farblich einander anpassen.

Schwarzwaldhaus Gütenbach
. Foto: bmH bauen mit Holz


Das Dachgeschoss wurde oberhalb der Schalung lediglich mit einer dünnen Holzfaserdämmung versehen. Dadurch ist der offene Raum gut als Werkstatt oder Veranstaltungsraum nutzbar. Der Raum befindet sich aber nicht innerhalb der dämmenden Gebäudehülle. Diese wird planmäßig über die Decke des Oberschosses geführt. Die Deckenbalken und -binder wurden mittels Verstärkungshölzern statisch ertüchtigt. Dadurch entstand ein Höhenversatz von bis zu 28 cm. In den Hohlraum wurde Zellulose eingeblasen. Die Abdeckung nach oben bilden begehbare Holzdielen.
Eine neue Dachdeckung aus Holzschindeln gibt dem Schwarzwaldhaus sein ursprüngliches Aussehen wieder. Dabei entschieden sich die Verantwortlichen für Alaska-Cedar-Schindeln in dreifacher Überdeckung. Diese Schindeln sind gegenüber den ehemaligen Fichtenholzschindeln haltbarer. Sie nehmen in kurzer Zeit die gleiche Patina wie alte Dächer an.


Kastenfenster mit erstaunlich guten U-Werten

Eine weitere Besonderheit im Schwarzwaldhaus sind die neuen Fenster. Zwischen den Fachwerkhölzern wurden an einigen Stellen Festverglasungen eingebaut. Außerdem wurden zahlreiche traditionelle Kastenfenster im Stecksystem mit einem Luftzwischenraum von 10 cm hergestellt und eingebaut. Trotz der rustikalen Konstruktion erreichen diese Kastenfenster laut Johannes Göppert U-Werte zwischen 1,6 und 1,9 W/(m²K).

Schwarzwaldhaus Gütenbach
Schwarzwaldhaus Triberg-Gremmelsbach. Foto: bmH bauen mit Holz


In partnerschaftlicher Zusammenarbeit und mit viel gegenseitigem Vertrauen haben die Zimmerei Göppert und die Baufamilie aus Villingen-Schwenningen ein wertvolles Stück Schwarzwaldtradition erhalten. Zwölf Monate dauerte es, bis aus dem Abbruchhaus wieder ein schmuckes und irgendwie zeitgemäßes Schwarzwaldhaus wurde. Gewonnen haben beide: die Baufamilie ein modernes, einzigartiges Wochenendhaus und die Zimmerei Göppert den Sanierungspreis 2014 der Rudolf Müller Mediengruppe.

Wolfgang Schäfer

zuletzt editiert am 04. August 2021