Ein typischer Schwarzwaldhof in ländlicher Umgebung in Bernau-Hof
Abb. 1: Ein typischer Schwarzwaldhof in ländlicher Umgebung in Bernau-Hof (Quelle: Martin Granacher)

Technik 2. June 2023 Tradition und Zukunft

Bauwerk Schwarzwald Dem Schwarzwald ein Gesicht geben – das möchte der Verein Bauwerk Schwarzwald. Ziel des Kompetenzzentrums für Schwarzwälder Architektur, Handwerk und Design ist, die im Schwarzwald regionalspezifische Bau- und Handwerkskultur zu fördern und eine Verbindung zwischen Tradition und Moderne, Architektur, Handwerk und Design, Forschung und Ausbildung, Experiment und Praxis zu schaffen – in wechselseitigem Austausch und mit neuen Partnern.

Was würden Sie antworten, wenn Sie gefragt werden, was den Schwarzwald weltweit bekannt macht? Haben Sie es erraten? – Richtig: Es ist die Schwarzwälder Kirschtorte – auch bekannt unter dem Namen Black Forest Gateau. Aber da ist natürlich noch viel mehr. Neben den Klischees, die von der eben erwähnten Torte über den Bollenhut bis zur Kuckucksuhr reichen und die ebenfalls weltbekannt sind, ist der Schwarzwald eine Region mit vielen Facetten.

Geografisch ist er mit dem Wechsel zwischen Naturlandschaft und bäuerlicher Kulturlandschaft das größte Mittelgebirge in Deutschland mit einer wunderbaren Tal- und Berglandschaft mit nahezu intakter Natur. Das ist ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt, und so zeigen touristische Werbebroschüren auch immer die schönen Landschafts- und Naturimpressionen, um Besucher für die Region zu interessieren. Wandern und Radfahren im Sommer und die Wintersportarten im Schnee sind die großen Werbethemen. Denn der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftszweig, der 2019 etwa 500.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze bot und in dem etwa 7,5 Mrd. Euro jährlich umgesetzt wurden. Die Zahlen während der Pandemie sahen natürlich anders aus, doch bereits im vergangenen Jahr war wieder ein Aufschwung spürbar – auch wenn die Übernachtungszahlen von 2019 noch nicht erreicht wurden.

Daneben dominiert die ländliche Struktur mit Agrar- und Holzwirtschaft. Es existieren noch traditionelle Handwerkstechniken, die andernorts bereits ausgestorben sind. Dazu kommt eine gewachsene Baukultur, die mit ihrer aus den klimatischen Bedingungen entstandenen Bauweise landschaftsprägend ist.

Eine Besonderheit des Schwarzwalds ist der Typus des Schwarzwaldhofs (siehe Abb. 1). Über Jahrhunderte hinweg hat sich hier – angepasst an die örtlichen Rahmenbedingungen wie Klima, Relief und verfügbare Baustoffe – eine eigene Architektursprache und Kultur des Bauens entwickelt, die die Landschafts- und Ortsbilder prägt. Für die Bevölkerung ist die Baukultur identitäts- und heimatstiftend, für Touristen macht sie die Region Schwarzwald attraktiv.

So hat sich über einen langen Zeitraum die gebaute Umwelt im Schwarzwald entwickelt. Nun sind Bauweisen und -techniken fortgeschritten, und die Ansprüche an Gebäude, Einrichtung oder Design haben sich geändert. Angesichts zunehmender „austauschbarer Bebauung“ stellt sich jedoch die Frage, wie die charakteristische Baukultur im Schwarzwald erhalten bleiben und gleichzeitig zeitgemäß, mit modernem Wissen und neuen Technologien weiterentwickelt werden kann.

Dabei geht es aber nicht nur um den Neubau, sondern auch um Umnutzungen und Umbauten von Bestandsgebäuden wie alten Höfen und Scheunen, die dabei helfen können, ein Gegengewicht zur zunehmenden Gleichförmigkeit der Alltagsarchitektur und der Ortsbilder zu schaffen. So können historische Gebäude gleichzeitig ihren baulichen Charakter bewahren und trotzdem Wege in die Zukunft weisen.

Gerade die Baukultur – so akademisch und abstrakt das im ersten Moment auch klingen mag – ist ein wichtiger Baustein, um eine ländliche Gegend anziehend zu machen. Wir sind tagtäglich von Baukultur umgeben, und Baukultur hat Auswirkungen auf uns und prägt unserer Verhalten.

Dass die Einflüsse des Bauens und der Baukultur nicht nur Privatinteressen oder die von Fachleuten betreffen, sondern auch wirtschaftliche Veränderungen herbeiführen können, belegen Beispiele wie Bilbao mit dem Guggenheimmuseum oder die moderne Holzbauarchitektur in Vorarlberg. In beiden Fällen ist die Attraktivität einer Region erst durch die Architektur oder die Bauweisen entstanden.

Bekannt ist der Schwarzwald für sein Holz schon lange. Bis ins 19. Jahrhundert wurden Holzstämme für den Hausbau bis in die Niederlande geflößt. Heute gibt es moderne Holzbau- und Industriebetriebe im Schwarzwald, die mit ihren innovativen Entwicklungen bei der Holzverarbeitung die Hidden Champions der Region sind. Die Verwendung von Holz als zukunftsweisender Rohstoff ist nicht nur ein Gebot der Stunde für die Sanierung der traditionellen Holzbauten, sondern vor allem im Neubau, wo neue Technologien und Entwicklungen in den Baukonstruktionen eingesetzt werden können. Insgesamt hat sich die Holzbaurate in Deutschland sehr positiv entwickelt. Laut dem Lagebericht Zimmerer/Holzbau liegt sie für das Jahr 2021 bei 21,3 Prozent aller Wohnbauten. Baden-Württemberg ist Vorreiter mit seiner Rate von 34,3 Prozent – daran ist die Region Schwarzwald maßgeblich beteiligt. In einigen Baugebieten beispielsweise im Landkreis Waldshut-Tiengen, werden Ein- und Zweifamilienhäuser zu mehr als 50 Prozent in Holz gebaut.

Auch im Mehrfamilienhausbau und bei den Nichtwohngebäuden kann der Schwarzwald punkten – wie das achtgeschossige Wohn- und Gewerbegebäude „Buggi 52“ in Freiburg anschaulich zeigt (siehe Abb. 2). Ein erstes klimaneutrales Gewerbegebiet nur in Holzbauweise wurde in Lörrach mit dem Lauffenmühleareal ausgewiesen.

Das Wohn- und Geschäftshaus „Buggi 52“ in Freiburg als 8-geschossiger Holzbau
Abb. 2: Das Wohn- und Geschäftshaus „Buggi 52“ in Freiburg als achtgeschossiger Holzbau (Quelle: Martin Granacher)

Auf der anderen Seite ist die Region strukturschwach. Viele Bewohner finden keine Arbeit in ihren Wohnorten; Freizeiteinrichtungen sowie der Nahverkehr mit guten Anbindungen beschränken sich überwiegend auf die touristischen Zentren. So schrumpfen viele Gemeinden und verlieren weiter an Attraktivität für die Bewohner. Der Dorfgasthof – das Zentrum für Kommunikation und Austausch im Ort – schließt, und der Dorfladen kann nur überleben, wenn er nebenher betrieben wird.

Gerade in ländlichen Gebieten ist es umso wichtiger, die Besonderheiten der Region herauszufiltern und sie entsprechend zu befördern.

Bereits Ende der 90er-Jahre wurde dazu der erste Naturpark gegründet, um sich für die Fortentwicklung der Region einzusetzen.

Schon lange existierte darüber hinaus die Forderung nach einem Zentrum im Schwarzwald, das alle Akteure der Region an einen Tisch bringt, das dazu dient, alle Belange des Schwarzwalds und seiner Bewohner nachzuverfolgen, und das sich um die Weiterentwicklung der Region kümmert.

In einer Projektgruppe, bestehend aus Vertretern der Bereiche Architektur, Handwerk, Design, Regionalentwicklung, Tourismus, Bildung und Kultur, wurde die Konzeption für die Initiative „Bauwerk Schwarzwald“ entwickelt; sie führte zur Gründung des Vereins im Jahr 2020.

Heute zeigen die mehr als 130 Vereinsmitglieder aus elf Organisationen und Kammern, darunter Architekten- und Handwerkskammer, LEADER-Aktionsgruppen und Tourismusorganisationen, sowie 13 Landkreise und Kommunen, zehn Vereine, über 50 Unternehmen und viele Privatpersonen ein breites Spektrum an Akteuren.

Leitidee war, die vorhandene regionale Bau- und Handwerkskultur zu fördern und in die Zukunft weiterzuentwickeln. So bildet das Kompetenzzentrum ein Dach und bringt mit der Verbindung von Tradition und Moderne, von Forschung und Ausbildung und Experiment und Praxis die verschiedenen Facetten des Schwarzwalds unter einen Hut.

Der Bereich Baukultur und der Bereich Handwerk & Design wurden als die wesentlichen Handlungsfelder festgestellt. Die Aufgabenstellungen dazu sind das Sammeln von altem und neuem Wissen, die Erforschung der besonderen schwarzwaldspezifischen Baukultur, die Beratung zu zukunftsweisender Gestaltung, die Unterstützung von Aus- und Weiterbildung und die Sensibilisierung der Öffentlichkeit – vor allem der Bewohner des Schwarzwaldes –, um auf die Vorteile von regionalem Handwerk und regionaler Baukultur hinzuweisen. Das Bewusstsein zu wecken für die besonderen Möglichkeiten des Schwarzwaldes und das Interesse wach zu halten, selbst an der Gestaltung mitzuwirken, ist ein wichtiger Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit.

Ein wesentlicher Grundgedanke ist die Kooperation mit Kammern, Verbänden, Organisationen und Einzelinitiativen, sodass Synergieeffekte die gemeinsamen Anliegen befördern und so die Zukunft gestaltet werden kann.

Eines der ersten Projekte von Bauwerk Schwarzwald ist die Einrichtung einer Architekturroute, die gerade im Entstehen ist. Sie soll an besonders herausragenden, aber auch alltagstauglichen Beispielen die Schwarzwälder Baukultur erlebbar machen.

Im vergangenen Jahr wurde dazu aufgerufen, Gebäude im Bereich Neubau, Umbau und Sanierung aus verschiedenen Nutzungskategorien wie Wohnen, Gewerbe und Tourismus sowie Landschaftsplanungen einzureichen. Dabei kam die stolze Zahl von über 160 Einreichungen zusammen, von denen in einer umfangreichen Jurysitzung mit mehrtägiger Bereisung knapp 100 Objekte ausgewählt wurden. Diese Auswahl kann bald über ein Internetportal zu Routen nach unterschiedlichen Kriterien abgerufen werden. So ist es z. B. möglich, ausgezeichnete gewerbliche Objekte in einem Tal des Schwarzwalds herauszufiltern und entsprechend dann zu besuchen. Genauso ist es möglich, nach Neubauten zu suchen (beispielsweise. Abb. 3) oder sich auch alle Schwarzwaldhöfe (siehe Abb. 4) anzeigen zu lassen, die eingereicht wurden.

Ein modernes Wohnhaus in Hofsgrund, das sich an den traditionellen Bauformen orientiert – Weißtannenschindelhaus
Abb. 3: Ein modernes Wohnhaus in Hofsgrund, das sich an den traditionellen Bauformen orientiert – Weißtannenschindelhaus. (Quelle: René Lamb)
Moderne Elemente in historischer Bausubstanz – der Lippenhof in Unterkirnach
Abb. 4: Moderne Elemente in historischer Bausubstanz – der Lippenhof in Unterkirnach (Quelle: Martin Granacher)

Außerdem wurde die Gestaltungskommission, die im Zuge des Forschungsprojekts entstand, im Verein angesiedelt. Ziel ist es, bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand wie auch bei privaten Projekten die Architekturqualität zu fördern sowie die Originalität und die Bedeutung heimischer Materialien zu vermitteln. Die Kommission besteht aus knapp 30 Architekten und Handwerkern, die Initialberatungen durchführen, die unabhängig von persönlichen Interessen dem Grundsatz des regionalen Bauens verpflichtet sind. Wünschenswert ist, dass bei kommunalen Bauvorhaben – aber auch beim privaten oder gewerblichen Bau – jeweils fachkundige Beratung im Vorfeld zugezogen wird, sodass mit Wettbewerben oder vorgeschalteten Machbarkeitsstudien die baukulturelle Qualität von Neubauten sowie Umbauten und Sanierungen gesteigert wird.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Bewusstseinsbildung, was für die Identität einer Region essenziell ist.

Bereits im Herbst 2020 übernahm der Verein „Bauwerk Schwarzwald“ die Trägerschaft für die Beantragung einer europäischen Förderung für das Projekt „Zentrum Holzbau Schwarzwald (ZHS)“, das im Frühjahr 2021 zu einem Leuchtturmprojekt gewählt wurde.

Als Zentrum für Innovations- und Wissenstransfer wird das ZHS die regionalen Kompetenzen in den Bereichen Holzbau/Forst/Architektur/Design/Innenausbau bündeln und den Austausch zwischen Forschung und Praxis fördern. Ziel ist es, die Praxis mit Forschungseinrichtungen und Hochschulen zusammenzubringen, um den Holzbau voranzutreiben und so einen wichtigen Beitrag zur CO2-Einsparung zu leisten.

Es geht auch um die Frage, wie in Zeiten des Klimawandels der Wald zukünftig aussehen wird und wie die Rohstoffversorgung garantiert werden kann. Dazu sind Kooperationen mit Hochschulen aus Forstwissenschaft, Bauplanung und Architektur bereits geknüpft worden.

Als Träger wurde eine eigene gemeinnützige GmbH gegründet.

Mit öffentlichen Veranstaltungen und einem Ausstellungsbereich wendet sich das ZHS nicht zuletzt an die interessierte Öffentlichkeit. So organisierte es zusammen mit einem Sägewerk in einem Sommerferienprogramm Aufklärungsarbeit bei Kindern zum Thema Holz und dessen Nutzung (siehe Abb. 5).

Aufklärung zur Holznutzung: Der Sägewerksbesitzer Marius Braun erklärt die Nutzung vor einem Stapel Baumstämme.
Abb. 5: Aufklärung zur Holznutzung, der Sägewerksbesitzer Marius Braun erklärt die Nutzung. (Quelle: Zentrum Holzbau Schwarzwald / Martin Granacher)

Entstehen wird das Gebäude des ZHS in Menzenschwand bei St. Blasien im Kurhausareal. Dazu wurde ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, der bis April 2023 abgeschlossen sein soll – selbstverständlich soll es ein Holzbau werden.

zuletzt editiert am 02.06.2023