Wenn auch heutzutage Bauwerke in viel kürzerer Frist und mit beträchtlich weniger rein menschlicher Kraft und Anstrengung erstellt werden als ehedem, so hat der erste Bauabschnitt, die Errichtung des Rohbaus, doch immer noch seine besondere Bedeutung.
Nach wie vor setzen die Zimmerleute beim Richtfest, Weihefest, Hebefest, Hebauf oder Aufschlagfest den Richtbaum, Richtkranz oder Maien auf den Rohbau. Kundige Frauenhände haben das Tannenbäumchen oder den Birkenwipfel mit bunten Bändern oder je nach örtlicher Gewohnheit mit großformatigen, bunten Taschentüchern geschmückt und dabei eine Flasche Wein mit Trinkglas eingebunden, deren sich dann der Zimmermann bedient, der den Richtspruch (Giebelrede) spricht. Die Taschentücher werden später unter die Zimmerleute verteilt, manche davon enthalten eine Münze. Der Richtspruch gibt der Freude über das gute Gelingen des Bauwerks Ausdruck, sagt dem Allmächtigen Dank und fleht seinen Schutz und Segen auf Bau und Bauherrschaft herab.
Dies sind die wesentlichen Elemente in einem jeden Richtspruch:
- Freude über das vollbrachte Werk
- Dank an den Herrgott
- Dank an den Bauherrn
- ein Lob und Hoch auf Planung, Bauleitung und Handwerker
Um diese festen Bestandteile eines zünftigen Spruches ranken sich dann gern noch ernste wie schalkhafte Reime, erfüllt von Frohsinn, Selbstbewusstsein und Berufsstolz. Anspielungen, Winke mit dem Zaunpfahl, Ironie, Witz und Humor mögen gelegentlich den ersten Kern überwuchern, doch bleibt der ursprüngliche Zweck dieser Richtsprüche oder Giebelreden immer erhalten.
Dies ist ein Auszug aus dem Buch "Zünftige Richtsprüche für Bauwerke aller Art". 230 Richtsprüche finden sich in der einzigartigen Sammlung von Reimen "Zünftige Richtsprüche für Bauwerke aller Art".
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