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Bei diesem Dach ist das Deckbild verzogen. Dachziegel, die sowohl in der Decklänge als auch in der Deckbreite variabel zu schieben und zu ziehen sind, erleichtern das Eindecken. So kann als Resultat ein symmetrisches Deckbild, wenn vielleicht auch ohne rechte Winkel, zustande kommen.

Technik 2011-01-21T00:00:00Z Dachbau: Gerade schief genug

In der Denkmalpflege oder Sanierung sind die Bedingungen nicht immer ideal, um ein Dach problemlos zu decken. Dachflächen sind häufig verzogen oder anderweitig aus der Form geraten. Wie mit Tondachziegeln auch unebene Dachflächen gedeckt werden können, erläutert dieser Beitrag.

Normalerweise legen Auftraggeber von Dachdeckungen viel Wert auf eine besonders gleichmäßige und saubere Verlegung der Deckmaterialien sowie sauber fluchtende Dachrandkanten. Dafür muss der Zimmerer oder Dachdecker die Dachfläche in Decklänge und Deckbreite des jeweiligen Bedachungsproduktes einteilen, wobei er nach Möglichkeit auf ein Schneiden einzelner Elemente verzichten möchte. Dies gelingt am einfachsten bei großen, rechtwinkligen, ebenen Flächen mit parallelen Außenkanten und ohne Durchdringungen. In der Realität liegen diese Bedingungen nur sehr selten alle gleichzeitig vor. Deshalb sind meist Anpassarbeiten notwendig. Lässt sich dieser Mehraufwand im Neubaubereich noch durch eine detaillierte und auf den Dachziegel abgestimmte Vorplanung positiv beeinflussen, so ist bei Sanierungen alter Dächer, spätestens aber bei unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden einerseits das handwerkliche Geschick des Verarbeiters, andererseits die Flexibilität des Dachziegels gefragt, um zu einem technisch und optisch einwandfreien Ergebnis zu gelangen.

Wie bei frei geformten Bodenbelagsgrundrissen und kleinen Mosaiksteinchen gilt auch für Dachflächen, dass diese, selbst wenn sie unwinklig, verzogen oder windschief sind, umso besser gedeckt werden können, je kleinteiliger die Deckungsprodukte sind. So lassen sich zum Beispiel kegelförmige Turmdeckungen, enge Kehlen oder geschwungene Gauben gut mit Schiefersteinen, Holzschindeln oder Biberschwanzdachziegeln decken. Alle sind eben, unprofiliert, dünn und unverfalzt. Ein gegenseitiges Überlappen mit quasi beliebig großem Schiebebereich ist daher völlig unproblematisch.

Allerdings ergibt sich aus der fehlenden Verfalzung auch gerade der Nachteil solcher Deckungen, die hohe Regeldachneigung. Hat ein Dach eine niedrige Dachneigung, kann es sich anbieten, einen verfalzten Ziegel einzusetzen, der eine geringere Regeldachneigung hat. Wie aber lassen sich verzogene oder gekrümmte Dächer mit verfalzten Dachziegeln decken? Zwei Faktoren sind hierfür entscheidend:

* die Vor- und Aufbereitung der Unterkonstruktion und

* das mögliche Deckspiel des Dachziegels

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Konkav gebogene Dachflächen bereiten wenig Schwierigkeiten, da der jeweils überdeckende Ziegel mit einer steileren Neigung verlegt wird als der darunter liegende. So entsteht am Ziegelfuß keine Fuge, durch die Regen, Wind oder Schnee eindringen könnte.

Die Beschaffenheit der Unterkonstruktion prüfen

Vorrangig ist die Unterkonstruktion auf ihre Tragfähigkeit und eventuell vorhandenen Schädlingsbefall zu prüfen. Angegriffene Teile sind zu beseitigen und durch ungeschädigtes Holz möglichst gleicher Holzfeuchte auszuwechseln. Nachdem alle Holzteile und Verbindungspunkte an Sparren, Pfetten, Pfosten, Wechseln etc. überprüft worden sind, kann mit der optischen Korrektur begonnen werden.

Bei allen Holzdachstühlen ergeben sich im Laufe der Jahre durch Trocknung der Sparren (Schwinden, Verdrehen) und Lasteinwirkungen von außen (Schnee, Wind) oder innen (Einbauteile, statische Veränderungen) mehr oder weniger stark ausgeprägte Verformungen der an sich ebenen Dachflächen. Diese sollte der Zimmerer oder Dachdecker vor einer Neudeckung soweit wie möglich egalisieren. So werden durchhängende Sparren mit Holzleisten aufgefüttert. Buckelnde Sparren können hingegen bis zu einem gewissen Grad abgehobelt werden, soweit die Statik dies zulässt.

Werden die Holzbau- und Dachdeckerarbeiten nicht vom gleichen Auftragnehmer ausgeführt, so empfiehlt es sich für den dachdeckenden Betrieb, ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, dass der Vorunternehmer die geschilderten Begradigungsmaßnahmen sorgfältig ausgeführt hat. Denn eine Korrektur nach erfolgter Eindeckung ist nur noch mit sehr viel Aufwand realisierbar. Dies gilt vor allem, wenn Glattziegel zum Einsatz kommen, da unbehandelte Senken und Erhebungen dann besonders leicht als störend wahrgenommen werden.

Verzogene Gebäudegrundrisse oder verschiedene Gebäudebreiten sind häufig geplante oder konstruktive Ursachen für eine nicht zum First parallel verlaufende Traufe, für deutliche Unterschiede in der Dachneigung innerhalb einer Dachfläche oder für nicht rechtwinklig zum First liegende Ortgänge. In solchen Fällen kann mit vertretbarem Aufwand eine Korrektur nur sehr selten erfolgen.

Liegen zum Beispiel Traufe und First nicht parallel zueinander, so muss der Zimmerer oder Dachdecker versuchen, durch unterschiedliche Lattmaße bei der Traglattung zwischen kurzem Ortgang und langem Ortgang zu vermitteln, um mit gleicher Ziegelreihenanzahl auszukommen. Sinngemäß gilt Gleiches beim Abschnüren der Deckbreiten, wenn die Ortgänge nicht parallel und/oder nicht gleich geneigt sind. Daraus folgt, dass bei einer Dachfläche etwa in der unteren rechten Ecke die Ziegel in Decklänge und -breite komplett gestoßen verlegt sein können, während sie in der oberen linken Ecke in beiden Richtungen vollkommen gezogen sind. Bei solchen Deckbildern erleichtert ein möglichst flexibles Decklängenspiel das Verlegen der Ziegel.

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Bei konvexen Dächern besteht die Gefahr, dass der Ziegel am Fuß aufsperrt. Dies kann mit speziellen Ziegeln vermieden werden, deren Kopfverfalzungen ein Abkippen nach hinten zulassen.

Veränderliches Maß ist in der Sanierung wichtig

Das Decklängenspiel es entspricht auch der Lattweite ist ein gewollter und konstruktiv ausgebildeter Toleranzbereich innerhalb der Kopfverfalzung des Dachziegels, der im eingebauten Zustand ein variables Schieben und Ziehen der Ziegel in First-Traufe-Richtung gestattet, ohne dass hierunter die Regensicherheit leidet. Dieser Schiebebereich liegt zumeist bei einigen Millimetern, kann bei speziellen Sanierungsdachziegeln aber auch leicht mehrere Zentimeter betragen. Bei den Ortgangziegeln muss das Decklängenspiel zusätzlich noch im Überdeckungsbereich der Ortgangschenkel funktionieren.

Sinngemäß gilt das Gleiche für das Spiel in der Deckbreite. Da Dachziegel jedoch normalerweise schmaler als lang und Dächer eher breiter als hoch sind, ist es in den meisten Fällen relativ unproblematisch, mit nur wenig seitlichem Schiebebereich ein Dach ohne Schneidearbeiten für den Ziegel aufzuteilen. Das Deckbreitenspiel von verfalzten Dachziegel beträgt daher oft nur 23 mm, bei Sanierungsziegeln auch bis zu 6 mm. Darüber hinaus stehen teilweise zusätzlich Ziegel mit halber Deckbreite zum Ausgleichen zur Verfügung. Dem Deckbreitenspiel kommt aber viel Bedeutung zu, wenn radial angelegte Dachflächen mit zum Beispiel kreisförmig gebogener Traufe gedeckt werden müssen.

Neben der Eigenschaft, in der Breite und in der Länge mit veränderlichem Maß verlegt werden zu können, ist weiterhin von Bedeutung, ob sich Dachziegel auch untereinander mit verschiedenen Neigungen eindecken lassen. Dies ist immer dann von Interesse, wenn konkave oder konvexe Rundungen in Sparrenrichtung auszuführen sind.

Konkave Dächer mit nach unten gebogenen oder geknickten Sparren bereiten verhältnismäßig wenig Probleme, da der jeweils überdeckende Ziegel mit einer steileren Neigung verlegt wird als der darunter liegende. Das heißt, er wird quasi am oberen Ende angehoben, die Fußverfalzung bleibt aber auf dem unteren Ziegel mit direktem Kontakt liegen, so dass keine Beeinträchtigung durch Regen oder Windangriff zu erwarten ist. Kontinuierliche Krümmungen, beispielsweise beim Pagodendach, sind auf diese Weise auch mit verfalzten Glattziegeln ebenso realisierbar wie abrupte Neigungsänderungen, wie zum Beispiel ein Dachknick durch Aufschieblinge.

Konvexe Dächer mit nach oben gewölbten Sparren zu decken, ist dagegen mit verfalzten Dachziegeln schwierig umzusetzen. Da die Ziegel sich wegen der Kopffalzbreite mehrere Zentimeter überdecken, besteht die Gefahr, dass der obere Ziegel beim Abknicken nach unten über die oberste Kante des unteren Ziegels gewippt und dadurch sein Fußfalz angehoben wird: der Ziegel sperrt am unteren Ende auf, die Regensicherheit sinkt und die Windanfälligkeit steigt. Ein konvexer Dachknick, beispielsweise beim Mansarddach, ist mit speziell geformten Knickziegeln oder durch beabsichtigten Überstand des oberen Ziegels über den unteren ausführbar. Für konvexe Rundungen hingegen sind verfalzte Dachziegel nur dann geeignet, wenn sie etwa 2° oder mehr nach hinten abkippen können, ohne aufzusperren. Bei Modellen mit niedriger Regeldachneigung sind dann sogar Winkeländerungen vom senkrechten Fassadenbereich bis hin zum echten Tonnendach möglich.

Fazit: Viel Spiel erleichtert das Eindecken

Bei geometrisch ungleichmäßigen Dachflächen mit ungleichen Ortganglängen, unparallelen Firsten und Traufen, Senken und Erhebungen in der Sparrenlage oder Ähnlichem ist bei einer Sanierung der Deckung darauf zu achten, dass zuerst die Unebenheiten im Dachstuhl konstruktiv weitestgehend behoben werden. Verfalzte Dachziegel sind dann zur Deckung besonders gut geeignet, wenn sie über ein großes Decklängen- und Deckbreitenspiel verfügen. Bei Neigungsänderungen innerhalb einer Dachfläche sollte der Ziegel außerdem genügend Freiraum im Kopf-/Fußfalzbereich besitzen, um ein Aufsperren zu verhindern.

Dieser Artikel erschien in BAUEN MIT HOLZ 10/2008.

Stefan Thomas

Dipl.-Ing. Arch. Stefan Thomas ist technischer Berater beim Dachziegelhersteller Erlus AG.

zuletzt editiert am 04. August 2021