Interview „Verbandsmitgliedschaft ist verstaubt und viel zu teuer.“ So hört man es häufig von jungen Handwerksmeister:innen, die ein Handwerksunternehmen gegründet oder übernommen haben. Anders dagegen sieht es Markus Stürtz, Zimmermeister aus Eschweiler, der gemeinsam mit seiner Frau Melanie Stürtz die gleichnamige Zimmerei führt. Er hat sich bewusst für eine Innungsmitgliedschaft entschieden und ist zudem seit zehn Jahren im Prüfungsausschuss der Handwerkskammer Aachen aktiv. Der Zimmermann hat sich mit Markus und Melanie Stürtz unterhalten.
Herr und Frau Stürtz, seit wann sind Sie Betriebsinhaber, und wie kam es dazu?
Markus Stürtz Wir haben die Zimmerei im Januar 2021 von Zimmermeister Hermann Kratzenberg übernommen. Mein Onkel war bei ihm als Zimmerer beschäftigt, sodass wir uns bereits kannten. Zudem war er Vorsitzender des Prüfungsausschusses der Handwerkskammer Aachen, bei dem ich auch seit zehn Jahren Mitglied bin. Die Betriebsübernahme lief sehr problemlos. Auch heute unterstützt uns Hermann Kratzenberg immer mal wieder. Zum einen hat er mit über 40 Jahren Berufserfahrung eine unglaubliche Kompetenz, zum anderen ist er mit seinen 70 Jahren enorm robust und packt durchaus noch mit an, wenn es erforderlich ist. Aber er soll natürlich seinen Ruhestand genießen, sodass wir ihn nicht zu oft bitten möchten, bei uns auszuhelfen.
Melanie Stürtz Auch wenn alles relativ problemlos lief, war die Betriebsübernahme ganz schön viel Arbeit. Ich wollte mich eigentlich nie selbstständig machen. Ich habe Erzieherin gelernt, komme also aus einem ganz anderen Bereich. Ich habe zwar schon vorher in einem Handwerksbetrieb gearbeitet und habe zudem am Teil 3 der Meisterausbildung teilgenommen, in dem betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse vermittelt werden. Dennoch war es für mich oft hart, mich in die Betriebsführung einzuarbeiten. Es ist unglaublich viel Bürokratie, die es zu erledigen gilt und die ich im Blick behalten muss. Neben dem Betrieb haben wir ja auch noch zwei Kinder, die versorgt werden wollen. In den ersten Monaten war ich manchmal so weit, alles hinzuschmeißen. Aber jetzt bin ich froh, dass wir das durchgezogen haben. Mir macht die Arbeit inzwischen unheimlich Spaß, und wir haben tolle Mitarbeiter. Gerade haben wir unseren früheren Azubi als Gesellen übernommen und jetzt einen neuen Auszubildenden eingestellt. Mit diesem Team ist es wirklich klasse.

Apropros Azubi, Herr Stürtz, Sie sind im Prüfungsausschuss aktiv, oder?
Markus Stürtz Genau. Nachdem ich meinen Meister gemacht hatte, sprach mich Hermann Kratzenberg an, ob ich mich nicht engagieren möchte. Damals war ich in einer anderen Zimmerei als Meister angestellt. Mich im Prüfungsausschuss, sowohl Gesellen als auch Meister, zu betätigen, konnte ich mir sehr gut vorstellen, da es Nachwuchsarbeit bedeutet und ich gerne die jungen Menschen unterstützen wollte. Die Arbeit macht mir auch heute noch viel Spaß. Ich nehme mir gerne die Zeit dafür neben dem Betriebsalltag. Seit ich 2021 den Betrieb übernommen habe, sind wir auch Innungsmitglied.
Vielen jungen Handwerksmeister:innen ist die Innung zu altbacken, zu verstaubt und zu teuer, oder sie meinen, keine Zeit dafür zu haben. Warum haben Sie sich dazu entschieden, beizutreten und auch selbst aktiv im Prüfungsausschuss zu sein?
Markus Stürtz Dass ich mich ehrenamtlich engagieren möchte, war immer schon klar. Man möchte ja auch etwas zurückgeben können von dem, was man selbst an Unterstützung erhalten hat. Tastsächlich war ich zu Beginn mit Abstand der jüngste. Etwas später kam ein weiterer junger Zimmermeister aus dem Aachener Raum hinzu, der inzwischen eine alteingesessene Zimmerei von seinem Vater übernommen hat. Mit ihm verstehe ich mich sehr gut, die Chemie zwischen uns stimmt. Es war für uns nicht immer einfach, gegen die alten Haudegen anzukommen. Nach und nach haben sie dann aber gemerkt, dass nicht alle Ideen und Einstellungen verkehrt sind, die wir jungen eingebracht haben. Mittlerweile läuft die generationsübergreifende Zusammenarbeit im Prüfungsausschuss sehr gut.
Auch dass ich als Betriebsinhaber Innungsmitglied werde, war selbstverständlich. Denn das gehört meiner Meinung nach einfach dazu. Ich habe mir überhaupt keine Gedanken über die Kosten etc. gemacht.


Bietet Ihnen die Innungsmitgliedschaft Vorteile?
Markus Stürtz Auf jeden Fall! Dadurch habe ich ein sehr gutes Netzwerk, mit dem ich mich austauschen kann. Regelmäßig erhalten wir fachspezifische oder handwerkspolitische Informationen und bleiben damit auf dem aktuellen Stand. Zudem sind wir als Innungsmitglied automatisch Mitglied in der Bamaka, einer Einkaufsgesellschaft für die Bauwirtschaft. Wir profitieren von den günstigen Konditionen beim Kauf von Autos, Baustellenbedarf, Baustoffen oder Bürobedarf.
Melanie Stürtz Auch für mich ist die Innungsmitgliedschaft sehr hilfreich. Wie ich bereits sagte, musste ich mich in die Betriebsführung erst einmal einarbeiten. Wenn ich Fragen hatte, konnte ich mich jederzeit an die Kreishandwerkerschaft wenden und kann sie auch heute noch jeder Zeit kontaktieren und erhalte beispielsweise Rechtsberatung oder Tarifauskünfte. Zudem gibt es unheimlich viele kostenfreie Hilfestellungen wie Formular- und Mustersammlung für Personalarbeit, Buchführung etc. Das würde ich nicht missen wollen.
Sehr wertvoll ist zudem die jährliche Zusammenkunft des Landesverbandes Nordrhein. Dieses Jahr war ich statt meines Mannes dort und habe viele interessante Neuigkeiten erfahren, etwa zu der in NRW nun neuen Möglichkeit für Zimmermeister, die kleine Bauvorlagenberechtigung zu erhalten – mein Mann überlegt, diesen Weg auch zu gehen –, einem Vortrag zu Aufmaß und Vermessung oder Informationen zu den verschiedensten Fördermöglichkeiten für unsere Bauherren. Auch dort gab es die Möglichkeit, sich mit anderen Betrieben auszutauschen und zu vernetzen.
Herr Stürtz, Sie sind auch Dachdeckermeister, oder?
Markus Stürtz Ja, ich habe zunächst meinen Zimmermeister gemacht und anschließend den dreimonatigen Zusatzkurs, um auch den Dachdeckermeisterbrief zu erhalten. Ich habe das vor allem gemacht, damit wir ein Rundumpaket anbieten können. Ob beim Dachstuhlbau, bei Aufstockungen, Anbauten oder auch ganzen Holzrahmenbauhäusern, so können wir die Dachdeckerarbeiten mit anbieten. Die Kundschaft freut es, wenn sie möglichst viel aus einer Hand bekommt. Das ist auch ein Grund, warum ich perspektivisch die kleine Bauvorlagenberechtigung erlangen möchte, wie meine Frau gerade sagte. Reine Dachdeckerarbeiten nehme ich nicht an. Bei solchen Anfragen verweise auf die Kollegen aus dem Dachdeckerhandwerk. Entsprechend bin ich auch nur in der Zimmerer-, nicht aber in der Dachdeckerinnung.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!

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