Grübelnder Mann, im Hintergrund eine Holzhausbaustelle. Der Mann fragt sich: Welche Tools und Anwendungen gibt es? Welche Lösungen passen zu mir? Wie setze ich es erfolgreich um?
Bild 1: Vor der Anschaffung von digitalen Werkzeugen ist es sinnvoll, sich umfassend zu informieren und eine Bestandsaufnahme zu machen. (Quelle: Kompetenzzentrum Future Digital)

Technik 2024-09-03T08:45:38.370Z Digitalisierung für die Baustelle erfolgreich umsetzen

Baustellendokumentation In welchen Bereichen bringen digitale Lösungen rasch Vorteile? Welche neuen Anwendungen können die Anforderungen in den Betrieben am besten erfüllen? Wie können Unternehmen dabei am besten vorgehen? Der folgende Beitrag bietet Tipps und Lösungen zur erfolgreichen Umsetzung von digitalen Veränderungen im Bereich der Baustellenabwicklung.

Das Wichtigste gleich vorweg: Vor Beginn eines jeden Digitalisierungsvorhabens sollten Betriebe ihre Ausgangslage ausreichend ermitteln und die Mitarbeiter*innen aktiv einbinden. Denn diese sind ein entscheidender Faktor dafür, ob Maßnahmen erfolgreich und langfristig umgesetzt werden können.

Digitale Baustellendokumentation ist ein weit gefasster Begriff und schließt eine große Bandbreite an Anwendungsbereichen und Funktionen ein (siehe Bild 2). Darunter versteht man die digitale Leistungserfassung von Personal, Material, Geräten und Maschinen, das digitale Berichtwesen für Protokollierung, Bautagebuch, Tages- und Regieberichte, Arbeitssicherheit. Tätigkeiten wie Aufmaßerfassung, Pläneverwaltung, Fotodokumentation, Mängelmanagement und Abnahmeprotokolle erstellen gehören ebenso dazu. Unter die digitale Baustellendokumentation fallen meist auch Elemente aus dem Projektmanagement wie Steuerung und Überwachen der Bauprozesse und Bauzeitenpläne, Koordination von Mitarbeitern und Abläufen sowie Aufgabenverteilung, Kommunikation und Datenaustausch mit internen und externen Beteiligten.

Es sind 20 Bausteine der digitalen Baustellendokumentation aufgezählt: Aufgabenmanagement, Checklisten/Notizen, Berichte, Fotos/Videos, Zeiterfassung, Abnahmen, Bauzeitenplan, Kommunikation, Pläneverwaltung, Einsatzplanung, Bautagesberichte, Protokolle, Arbeitssicherheit, Datenaustausch, Ressourcenplanung, Bautagebuch, Aufmaßerfassung, Regieberichte, Digitale Signatur und Mängelmanagement.
Bild 2: Beispiele für Anwendungsbereiche und Funktionen der digitalen Baustellendokumentation (Quelle: Kompetenzzentrum Future Digital)

Tipps zur erfolgreichen Umsetzung

Jeder Betrieb muss vorab für sich individuell festlegen, welche Tätigkeiten, Abläufe und Prozesse man zukünftig gerne digitalisieren möchte. Ist die Entscheidung darüber gefallen, müssen die internen Anforderungskriterien definiert werden, um sie im anschließenden Auswahlprozess (siehe Bild 3) mit den Anwendungsbereichen und Funktionen der Softwarelösungen abgleichen zu können.

Es sind sechs Umsetzungsebenen für einen erfolgreichen Softwareauswahlprozess genannt: Präferenz Sotwarelösung, Präsentation Softwarehersteller, Matching Anforderungen, Look an Feel Testphase, Pilotprojekt und Einschulung, Ausrollung. Unter allen steht die Akzeptanz der Mitarbeitenden.
Bild 3: Beispiel für den Auswahlprozess von Softwarelösungen (Quelle: Kompetenzzentrum Future Digital)

Wichtig ist – rechtzeitig vor Umsetzungsbeginn! –  abzuklären, ob es für die geplanten Maßnahmen auf Bundes- oder Landesebene Fördermöglichkeiten in Form von nicht rückzahlbaren Zuschüssen gibt. Gerade für Klein- und Mittelbetriebe gibt es im Bereich der Digitalisierung umfangreiche Fördermittel für die Planung und Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben, etwa das bundesweite Förderprogramm „Digital jetzt – Investitionsförderung für KMU“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Weitere Möglichkeiten, sowohl Bundes- als auch Landesprogramme und vereinzelte europäische, finden sich auf www.foerderdatenbank.de. Die verantwortlichen Entscheider*innen sollten sich zudem mit aktuellen Innovationen, zukünftigen Trends und dem Stand der Technik befassen, um später bei der Softwareauswahl die richtigen Fragen – Beispiele siehe Infobox „Anforderungen an Baustellensoftware“ – an den Anbieter stellen zu können.

Überblick

Die wichtigsten Anforderungen an Baustellensoftware

  • Verfügbarkeit auf allen mobilen Endgeräten
  • On-/offline-funktionalität
  • Einfacher Messenger
  • Bilderfassung mit Daten
  • Flexible Feldeingaben
  • Einfaches Zugriffs- und Berechtigungssystem
  • Offene & beschriebene API-Schnittstellen
  • Moderne Mobile-App- und Webtechnologie
  • MS-Office-Integration
  • Datenverfügbarkeit nach Kündigung

Vorteile der Digitalisierung 

Digitale Lösungen dienen als Werkzeuge für Mitarbeitende, um Abläufe zu erleichtern, Zeit zu gewinnen, Fehler zu vermeiden und somit auch langfristig Kosten zu senken. Betriebe haben damit die Möglichkeit, mehr Kapazitäten für Neu- und Zusatzaufträge zu generieren, wenn Projekte ohne Verzögerungen und Abweichungen termingerecht abgeschlossen werden können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich bereits durch die Einführung einer mobilen Zeiterfassung und der Digitalisierung von handschriftlichen Formularen, Dokumenten und Zetteln, die auf der Baustelle und im Büro Verwendung finden, sehr schnell umfangreiche positive Effekte erzielen lassen. Wichtig dabei ist, dass im Zuge des neuen Erfassungsprozesses alle Informationen und Daten in andere Systeme überführt werden können, um dort weiterverarbeitet werden zu können. Zukünftig wird die Digitalisierung im Bauwesen verschiedene Systeme verbinden. Die digitale Erfassung auf der Baustelle ist die Basis für eine durchgängige Prozesskette.

Die passende Lösung finden

Egal, ob man im ersten Schritt mit dem Erfassen und Verteilen von Informationen wie Zeit, Material, Maschinenstunden, Fotos, Protokollen und Berichten starten oder stufenweise das gesamte Bauprojektmanagement vernetzt mit internen und externen Partnern über Plattformen abwickeln möchte, dafür bietet der Markt eine Vielzahl an Lösungen und Tools. Das bringt den Vorteil mit sich, dass Digitalisierung kein großer Kostenfaktor mehr ist. Davon können besonders kleine und mittlere Betriebe profitieren, die gerade mit ersten Maßnahmen beginnen wollen und hohe Ausgaben befürchten. Die Anwendungen stehen als Web-App oder mobile App zur Verfügung, die auch als Cloud-Software bezeichnet wird. Die Vorteile für die Betriebe bestehen darin, dass die Daten auf einem externen Server liegen und der Softwareanbieter für die Datensicherheit und Backups zuständig ist. Teilweise ist es auch möglich, die Daten auf dem eigenen Server zu hosten. Die Lösungen werden überwiegend als Lizenzmodelle in günstigen Monats- oder Jahresabos angeboten. Zusätzlich gibt es am Markt viele innovative branchenneutrale Projektmanagementtools, die immer mehr in der vernetzten Bauprojektabwicklung zum Einsatz kommen. Mit diesen neuen Plattformlösungen können Aufgaben- und Projektmanagement, Datenaustausch und Projektkommunikation mit internen und externen Beteiligten auch im Bau- und Handwerkswesen optimal umgesetzt werden. Jedoch sollte sich jedes Unternehmen vor der Suche nach der passenden Lösung ausreichend Zeit nehmen, um die eigene Ausgangslage anhand folgender Fragen laut der Infobox „Wichtige Fragen vor der Softwareanschaffung“ zu ermitteln.

Vor der Softwareanschaffung

Wichtige Fragen und die Antworten darauf

Wie sollten Abläufe und Prozesse verbessert werden, bevor digitale Lösungen zum Einsatz kommen?

Ineffiziente Abläufe und Prozesse bleiben auch trotz Digitalisierung ineffizient.

Wie und wo kommen bestehende Programme derzeit zum Einsatz, und können diese noch besser genutzt werden?

Fehlt die Akzeptanz der Mitarbeitenden oder wurden diese nicht ausreichend geschult, wird die Anwendungsbreite unterschiedlich stark genutzt werden. Dieser Effekt kann auch bei der nächsten Softwareanschaffung erneut auftreten, wenn man die Beschäftigten nicht ausreichend einbindet.

Ist jede Anschaffung von Soft- oder Hardware im Betrieb an eine umfassende Schulung der betroffenen Beschäftigten gekoppelt?

Mangelnde Schulung ist die Ursache für einen schwachen Nutzungsgrad der jeweiligen Software. Das Unternehmen zahlt (viel) Geld für etwas, das kaum Anwendung findet, auch wenn das Programm die betrieblichen Anforderungen perfekt erfüllen könnte.

Sind die vorhandenen Systeme untereinander bereits ausreichend verknüpft, und sind Anbindungen für die Verkettung mit neuen Lösungen vorhanden?

Systembrüche mindern den Nutzen von Digitalisierungsmaßnahmen. Die Durchgängigkeit und die Verwertbarkeit der Daten sind der eigentliche Innovationsfaktor und ein großer Mehrwert, von dem die Betriebe langfristig immer stärker profitieren werden.

Beispiele für Softwareprodukte

Aufgrund der zahlreichen Softwarelösungen werden nachstehend exemplarisch drei Produkte für den Einsatz in der Bauabwicklung mit unterschiedlicher Anwendungsbreite und -tiefe vorgestellt. Zur genauen Information über den jeweiligen Funktionsumfang der dargestellten Anwendungen sind die Webseiten angeführt.

  • Digiholz

Fokussiert auf die Anforderungen des Handwerks, können mit Digiholz (Bild 4) Zeiten, Material, Bautagebuch und Bilder auf der Baustelle via Smartphone-App projektbezogen digital erfasst und sofort im Büro weiterverarbeitet und ausgewertet werden. Zusätzlich können Berichte, Abnahmeprotokolle und Listen erstellt werden. Die Lösung bietet Schnittstellen zur Weitergabe der Daten in die Bau- und Lohnabrechnung und steht im Büro als Web-App zur Verfügung.

www.digiholz.de

Es sind verschieden Screenshots der App Digiholz abgebildet: Zeiten digital erfassen, Materiallisten anlegen, Bautagebuch führen, Pläne und Dateien teilen, Berichte erstellen und exportieren, Abnahme mit digitaler Unterschrift.
Bild 4: Digiholz – Automatische Zeiterfassung und Berichtwesen mit digitaler Unterschrift (Quelle: Kompetenzzentrum Future Digital)
  • Memomeister

Mit der App (Bild 5) können Fotos, Videos, Texte oder Dokumente digital erfasst und kommuniziert werden. In der digitalen Projektakte können diese Informationen mit allen weiteren Projektunterlagen zusammengeführt und verwaltet werden. Zahlreiche Unterlagen, die bisher in Papierform erstellt wurden, etwa Protokolle, Checklisten und Formulare, können digitalisiert werden. Dabei helfen kostenlose PDF-Vorlagen, die auf allen Geräten bearbeitet und digital unterzeichnet werden können.

www.memomeister.com

Es sind ein Tablet und ein Smartphone abgebildet. Auf beiden ist ein Foto eines Bades im Umbau zu sehen mit Kommentaren daneben.
Bild 5: Memomeister - Einfaches Erfassen von Fotos, Videos und Formularen (Quelle: Kompetenzzentrum Future Digital)
  • Capmo

Umfassende Prozesse wie Baudokumentation, Berichtswesen, Mängelmanagement, Aufgabenverwaltung und Projektkommunikation lassen sich zentral in Capmo (Bild 6) abwickeln und steuern. Die Funktionen umfassen ein flexibles Ticketsystem zur Dokumentation des Bauablaufs und zur Aufgabenkoordinierung, ein automatisiertes Bautagebuch sowie einen Bauzeitenplan.  Verfügbar als mobile App und Web-App, ermöglicht die Lösung eine Bauprozessabwicklung auf der Baustelle und im Büro.

www.capmo.com

Es sind ein Laptop, ein Tablet und ein Smartphone abgebildet. Das Laptop zeigt den Projektstatus, das Tablet die Technikpläne und das Smartphone das Bautagebuch.
Bild 6: Capmo – Erweiterte Baustellendokumentation (Quelle: Kompetenzzentrum Future Digital)

Fazit: Schritt für Schritt vorgehen

Es gibt viele unterschiedliche Anwendungsbereiche und noch zahlreichere digitale Lösungen dafür. Für eine optimale Umsetzung müssen Betriebe im ersten Schritt festlegen, welche Bereiche oder Phasen in der Bauabwicklung digitalisiert werden sollen. Anschließend sollten die bestehenden Abläufe und Prozesse betrachtet und gegebenenfalls angepasst werden, um schließlich die Anforderungskriterien definieren zu können. Der Funktionsumfang der Software und die Anforderungen des Betriebs sollen bestmöglich übereinstimmen. Erst nach einer ausführlichen Testphase sollte die endgültige Entscheidung über Anschaffung und Einführung fallen. Idealerweise wird die Lösung sofort in die Softwarelandschaft integriert, und die Mitarbeiter*innen werden professionell in den Funktionen und den neuen Arbeitsweisen eingeschult. Die hier erwähnten Schritte beschreiben eine optimale Vorgehensweise. In der Praxis sieht es aber so aus, dass Betrieben oft das interne Know-how für die Umsetzung fehlt. Das notwendige Wissen dazu können Interessierte in kompakter Form in den Ausbildungsinstitutionen für Bau- und Handwerk erhalten, die umfangreiche Lehrgänge und Kurse zum Thema Baustellendigitalisierung anbieten.

zuletzt editiert am 09. September 2024