Zusammenarbeit Kooperationen ermöglichen es mittelständischen Holzbaubetrieben, sich auch bei Großprojekten ins Spiel zu bringen. Was es dazu vor allem braucht: Vertrauen und ein gemeinsames Qualitätsverständnis.
Unternehmen verdienten 2022 über 60 Millionen Euro im Wohnungsbau. Deutschland will jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen bauen – so zumindest das politische Ziel. Das alles klingt aus unternehmerischer Perspektive verlockend. Besonders Zimmereien und Holzbauunternehmen wird es freuen, dass nicht nur mehr gebaut werden soll, sondern auch klimafreundlicher. Weil die Effizienz der eingesetzten Technik immer weiter gesteigert wurde, konnte der Energieverbrauch für Heizung und Kühlung bei Neubauten in den vergangenen Jahrzehnten bereits erheblich reduziert werden. Doch das allein reicht nicht.
Jetzt wird der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes in den Blick genommen. Im privaten Baubereich sind die positiven Folgen schon spürbar. Jedes fünfte Haus wird bereits überwiegend aus Holz gebaut. Aber bei Großprojekten kommen kleine und mittelständische Zimmereien und Holzbaubetriebe noch viel zu selten zum Zug. Das ist die Erfahrung im 81fünf-Netzwerk, in dem über 100 Zimmereien, Holzbaubetriebe und Planungsbüros seit fast drei Jahrzehnten zusammenarbeiten und sich austauschen.
Holzbau auf dem Vormarsch
Dabei scheitern konventionelle Bauunternehmen gerade an den aktuellen Herausforderungen. Um die energetischen Vorgaben und neuen Standards zu erfüllen, die für klimafreundliches Bauen im großen Stil nötig sind, steigen Kosten und Aufwand in hohem Tempo. „Es ist an der Zeit, dass auch bei großen Bauprojekten zum Beispiel im mehrgeschossigen Wohnungsbau auf Holz gesetzt wird“, fordert das 81fünf-Netzwerk.

Es gibt bereits erste Vorstöße von Kommunen und öffentlichen Bauherren, die ihre Aufgabe ernst nehmen und in ihrem Verantwortungsbereich den CO2-Verbrauch nachhaltig reduzieren möchten. Bereits in der Planung befindliche Großprojekte werden von ihnen schon auf Holz „umgeswitcht“. Das ist kein leichtes Unterfangen, weiß Gerd Prause, der mit seinen beiden Söhnen eines der führenden Planungsbüros für den Holzbau leitet. „Es fehlt an Holzbaukompetenz in den Büros, die sich bisher im Bereich der Großprojekte getummelt haben“, so Prause. Um ein mehrgeschossiges Wohngebäude mit über 40 Wohneinheiten in Holzrahmenbauweise zu errichten, kann nicht einfach ein konventioneller Plan als Grundlage genommen werden. „Zu viele Aspekte sind im Holzbau anders als beim Stahlbeton“, so Prause. Das haben auch Bauträger und Generalunternehmer erkannt, die bisher auf Beton gesetzt haben. Sie versuchen fehlendes Wissen durch die Übernahme von Zimmereien auszugleichen.

Kooperationen als Alternative mit lokalen Partnern
Aber es geht auch anders. Einzelne Zimmereien und Holzbauunternehmen können sich zu einer Arbeitsgemeinschaft, einer Arge, zusammenschließen. Im Großen wie im Kleinen hat es solche Kooperationen in der jüngsten Vergangenheit immer wieder gegeben. Eine Arbeitsgemeinschaft bildet sich mit verschiedenen eigenständigen Unternehmen, die sich meist für ein bestimmtes Projekt zusammenschließen. Rechtlich ist dieser Zusammenschluss eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), sofern keine andere Rechtsform gewählt wurde. Eine GbR bildet sich übrigens auch stillschweigend. Ein Gesellschaftervertrag ist nicht zwingend nötig, wird aber dringend empfohlen.
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Eine Arbeitsgemeinschaft ist nur so gut, wie ihre Regeln sind. Das fängt bei den grundlegenden Fragen zur Gewinnaufteilung, zur Erbringung von Leistungen und zum Einbringen von Finanzmitteln an. Aber auch die Art und Weise der Zusammenarbeit sollte im Vorfeld klar geregelt sein: Wo sind Schnittstellen der Zusammenarbeit: technisch und inhaltlich? Wie finden Abstimmung und Übergabe statt? Wer tritt gegenüber dem Kunden auf? Meist wird eine Arbeitsgemeinschaft genutzt, um gleichberechtigter an gemeinsamen Projekten arbeiten zu können. Im Netzwerk der 81fünf gab es in jüngster Vergangenheit bereits erfolgreiche Zusammenschlüsse, die aus dem regen Austausch innerhalb der Gruppe Bauträgergesellschaften für Wohngebiete mit Reihenhäusern oder für die serielle Sanierung größerer Objekte gegründet haben.
Was ist eine Arge?
Viele Bezeichnungen für eine Zusammenarbeit
Arge, horizontale oder vertikale Arbeitsgemeinschaft, Außengesellschaft, Innengesellschaft, Dach-Arge – es gibt verschiedene Bezeichnungen für die Kooperation von rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Unternehmen oder Handwerksbetrieben. Da alle Partner durch die gemeinsame Gewinnerzielung bei einem Projekt verbunden sind, liegt juristisch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts vor, sofern keine andere Rechtsform gewählt wird. Eine Arbeitsgemeinschaft kann sich für ein Projekt bilden oder auf Dauer angelegt sein. Dies wird im Arge-Vertrag oder im Gesellschaftervertrag festgelegt.
Einen noch konsequenteren Weg geht die group Holzbau GmbH. Mit dem Ziel, Know-how und Fertigungskapazitäten von mittelständischen Betrieben nachhaltig zu bündeln, haben sechs Holzbauunternehmen und zwei Planungsbüros eine eigene Gesellschaft gegründet, die als Generalübernehmer, Generalunternehmen und Holzbauunternehmen auftreten kann. Auf diese Weise wollen sie dem mehrgeschossigen Holzbau einen Schub geben und die mittelständischen Strukturen stärken. Büro- und Wohnungsbau, Gewerbe- und Hallenbau, kommunale Einrichtungen – das alles kann mit Holz und mit regionalen Partnern realisiert werden. Tatsächlich greift group zurzeit flächendeckend auf modernste Produktionsanlagen im Norden, Osten, Westen und Süden der Bundesrepublik zu. „Uns verbindet das gemeinsame Verständnis von Nachhaltigkeit und Digitalisierung“, sagt Thomas Reinke, Geschäftsführer von group und Inhaber von Ökologischer Holzbau Sellstedt (ÖHS) mit rund 30 Mitarbeitenden. Wie er und Gerd Prause kommen alle Gesellschafter von group aus dem Netzwerk von 81fünf, aus dessen Erfahrungen sie für die Organisation der neuen Gesellschaft schöpfen können.
Es ist eine Kooperation, die spezialisiert ist auf Großprojekte, bei denen alles aus einer Hand angeboten werden kann. Das beginnt bereits bei der Planung. group bringt sich bereits in den Leistungsphasen 2 und 3 ein. Verwaltungstechnische Hürden zur Trennung von Planung/Ausschreibung und Ausführung konnten ausgeräumt werden. Mit einer holzbaugerechten Planung ist der Weg für eine nachhaltige Umsetzung frei.


Netzwerk hinter der Kooperation
Produziert wird je nach Kapazitätsmöglichkeiten in den Fertigungshallen der group-Partner, die geografisch die kürzesten Wege zur Baustelle haben. Regionalität ist ein wichtiges Prinzip der Zusammenarbeit. Dabei ist für Thomas Reinke die Nähe zum Netzwerk 81fünf ein großes Plus. Aufgrund des gemeinsamen Qualitätsverständnisses und des ähnlichen Digitalisierungsstandes im Netzwerk 81fünf könnten auch andere Netzwerkpartner zukünftig problemlos in den Fertigungsprozess eingebunden werden. Das alles geschieht im Hintergrund. Die Auftraggebenden haben nur mit der group und dem regionalen Holzbauunternehmen zu tun, das für sie als Ansprechpartner gilt und das auch die Montage auf der Baustelle übernimmt.
Vor- und Nachteile der Zusammenarbeit
Passt es oder passt es nicht?
Sich mit anderen Unternehmen zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenzutun, kann viele Vorteile mit sich bringen, aber auch einige Nachteile. Die wichtigsten Pros und Contras sind im folgenden aufgezählt.
Vorteile
- Risikostreuung: Technische und wirtschaftliche Risiken sind auf viele Schultern verteilt.
- Hohe Produktionskapazität für einen kurzen Zeitraum
- Geografische Nähe zur Baustelle
- Enge Verbindung aller Fachkompetenzen (von Planung bis Montage)
- Zugang zu Großprojekten (inkl. Bankbürgschaften)
Nachteile
- Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Partner
- Abhängigkeit von der technischen Leistungsfähigkeit und Ausführungsqualität der einzelnen Partner
Es muss menschlich stimmen
Ein solches Modell ist keine neue Erfindung. Die bisherige Praxis aber zeigt, wie schwer es ist, Einigkeit bei allen Beteiligten zu erzielen, um gemeinsames Handeln zu ermöglichen. Denn natürlich geht es auch um wirtschaftliche Fragen und um Risikoverteilung. Die Partnerunternehmen müssen sich einig sein, welche Leistungen eingebracht, welche Preisversprechen gegeben werden können und wie Gewinne aufgeteilt werden. Der zentrale Vorteil einer eigenen Gesellschaft, die Großprojekte realisieren will, liegt außerhalb des Baulichen. Es sind die Finanzen: Ein einzelner Betrieb hätte nicht den Zugang zu den für Großprojekte nötigen Bankbürgschaften. „Wir alle kommen aus dem klein- und mittelständischen Bereich. Wir alle sind planerisch und handwerklich in der Lage, das Bauwesen auch bei Großprojekten nachhaltig zu verbessern. Wir haben letztlich nur die formalen Voraussetzungen geschaffen, damit wir das auch umsetzen können“, fasst Thomas Reinke zusammen.


Das klingt einfach, aber es muss dafür vor allem auch menschlich stimmen. Es braucht ein gemeinsames Qualitätsverständnis, das von Nachhaltigkeit geprägt ist, und gegenseitiges Vertrauen, um ein solches Unterfangen mit all seinen wirtschaftlichen Risiken zu bewältigen. Gleichwohl wird dies die Herausforderung sein, vor der viele Zimmereien und Holzbaubetriebe stehen werden. Für nachhaltiges Bauen bei Großprojekten sind Kooperationen eine echte Alternative des Handwerks.