Ein Foto aus der Vogelperspektive, das die Holzbaustelle zeigt.
Die am Bau Beteiligten entschieden, für die Wohnanlage Massivholzelemente zu verwenden, bei denen die Brettlagen mit Aluminiumnägeln gefügt sind. (Quelle: Dr. Joachim Mohr)

Technik 2025-10-17T08:17:59.685Z Genagelt statt geleimt

Massivholz Der Markt bietet unterschiedlichste Systeme an massiven Holzbauelementen. Eines davon zeichnet sich dadurch aus, dass Bretter kreuzweise verpresst und mit Aluminium-Rillenstiften Schicht für Schicht zu Rohwandelementen verbunden werden. Der Einsatz dieser Elemente wird am Beispiel einer neuen Wohnanlage in Leutkirch gezeigt.

Angesichts optimierter Energiebilanzen von Neubauten rückt das Thema graue Energie in den Blick, da sie in der CO2-Bilanz eine wichtige Rolle spielt. Die Berechnung dieser Energie ist schwierig, denn die Prozessketten von der Erzeugung der Materialien über deren Verarbeitung bis hin zum Recycling sind sehr komplex. 

Es ist aber möglich, durch die Optimierung einzelner Faktoren in dieser Kette die in einem Gebäude enthaltene graue Energie zu reduzieren. Einer dieser Faktoren sind die Transport- und Montagewege, die sich bei der Nutzung regionaler Ressourcen erheblich verkürzen. Dies hat dazu geführt, dass Regionalität für Investierende, Architekturbüros und Bauunternehmen ein Thema von zunehmender Bedeutung ist.

Vorteil der kurzen Wege

Auch beim „Haus 2020“, einer Wohnanlage in Leutkirch, stand das regionale Engagement von Anfang an im Vordergrund. Alle am Bau Beteiligten stammen aus dem näheren Umkreis und brachten die vor Ort vorhandene Kompetenz in das Projekt mit ein.

Städtebaulich erfüllt das „Haus 2020“ die Funktion, den lange vernachlässigten Mietwohnungsmarkt in Leutkirch zu bereichern. Zu diesem Zweck konzipierte das Architekturbüro Mühlhaus Ziller Architekten in Leutkirch eine Wohnanlage mit acht separaten Baukörpern, in denen auf zwei Geschossen insgesamt 18 Zwei- und Dreizimmerwohnungen untergebracht sind.

Fertigungsprozess in drei Schritten

Bei der Bauweise entschieden sich die Investierenden und das Architekturbüro für die Massiv-Holz-Mauer (MHM), weil das von Hans Hundegger entwickelte Massivholzsystem leimfrei ist und die Nutzung von Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern der jeweiligen Region ermöglichen soll. Technisch betreut wird das System durch die MHM Entwicklungs GmbH in Hawangen.

Die Fertigung der Elemente für das „Haus 2020“ erfolgte beim Produzenten Mayr & Sonntag in Legau, lediglich 15 km vom Bauort entfernt. Ausgangsmaterial waren Nadelholzbretter. Der Fertigungsprozess gliedert sich in drei Schritte: das Nuten der Bretter, die Produktion der Rohplatten mit einem Nagelautomat und den Abbund auf einer Plattenbearbeitungsmaschine.

Nahaufnahme eines Alunagels, der mehrere Brettlagen miteinander verbindet.
Die Fügung erfolgt mittels Alunägeln, die mit einem Nagelautomat eingetrieben werden. Die Luftnuten im Bauteil wirken sich laut Hersteller auf den Wärmeschutz vorteilhaft aus. (Quelle: MHM Entwicklungs GmbH)

Der Nagelautomat ordnet die Bretter zu kreuzweise übereinander liegenden Lagen und vernagelt sie an jedem Kreuzungspunkt mit zwei Aluminiumnägeln. Der Prozess erfolgt Lage für Lage: In zwei Lagen befindet sich eine Nagelreihe, in zweien drei usw.

Die Zahl der Lagen entscheidet über die Dicke der Bauteile. Üblich sind bei Außenwänden Dicken zwischen 200 mm (neun Lagen) und 340 mm (15 Lagen), Innenwände werden üblicherweise in 115 und 160 mm Dicke produziert. Das „Haus 2020“ wurde mit 250 mm dicken Wänden plus 140 mm Holzfaserdämmung gebaut, womit sich ein U-Wert von 0,16 W/(m²K) ergab.

Die Fügung der Bauteile entsteht durch die formschlüssige Verbindung der gekreuzten Schichten über die Aluminiumnägel, deren Zahl bei höherer Belastung auf vier pro Kreuzungspunkt erhöht werden kann. Somit sind einwirkende Streckenlasten von bis zu 100 kN/m auf eine siebenlagige Wand möglich. Da die Nägel bei diesem Elementaufbau ausschließlich Scherkräften ausgesetzt sind, besteht keine Gefahr, dass sich das relativ weiche Material verformt. Berechnet wird die Tragfähigkeit des Bauteils über das Schub-Analogie-Verfahren, wobei die Zahl der Kreuzungspunkte in den einzelnen Schichten der entscheidende Faktor ist.

Die fertigen Rohplatten kommen anschließend in den Abbund auf einer Plattenbearbeitungsmaschine. Dabei sind die Nägel kein Problem, da vom Aluminium, das in seiner Festigkeit etwa einem Ast entspricht, keine Gefahr für vorzeitigen Werkzeugverschleiß ausgeht. Werkzeugschonende Fertigungsstrategien in einem 3D-Produktionsprogramm, individuell variierbar, minimieren zusätzlich den Werkzeugverschleiß.

Nicht mehr verwendete Bauteile werden geschreddert und thermisch verwertet, das enthaltene Aluminium lässt sich ausfiltern und wiederverwerten.

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Kurzelemente mit Sturz

Statisch eignet sich das Massivholzsystem für Gebäude mit vier bis fünf Geschossen, ohne dass die Gefahr von Verformungen der Nägel besteht. Derzeit arbeitet der Hersteller an Lösungen für höhere Gebäude, etwa mittels Schraubverbindungen oder schrägstehender Brettlagen.

Zu den Besonderheiten des Massivholzsystems gehört, dass keine lang durchlaufenden Elemente mit Öffnungen für Fenster, Türen usw. produziert und abgebunden werden. Stattdessen wird die Wand in kurze Elemente aufgeteilt, die zwischen den Öffnungen liegen – das minimiert den Verschnitt und optimiert die Abbundgeschwindigkeit.

Illustration von drei verschiedenen Holzwandkonstruktionen mit Fensterausschnitten.
Zu den Besonderheiten des Massivholzsystems gehört, dass keine lang durchlaufenden Elemente mit Öffnungen für Fenster, Türen usw. abgebunden werden. Stattdessen wird die Wand in kurze Elemente aufgeteilt, die zwischen den Wandöffnungen liegen. (Quelle: MHM Entwicklungs GmbH)

Zwischen den Massivholzelementen befinden sich also Öffnungen, die durch einen Sturz und bei Fenstern durch ein zusätzliches niedriges Brüstungswandelement überbrückt werden. Die Stürze können je nach Belastung aus Massivholzplatten, Brettsperrholz, Buchenfurnierschichtholz oder Stahl bestehen.

Illustration einer modernen Holzstruktur mit verschiedenen Dachformen.
Zwischen den Massivholzelementen überbrücken Stürze – bei Fenstern ein zusätzliches niedriges Brüstungselement – die Öffnungen. Je nach Belastung sind sie aus Massivholzplatten, Brettsperrholz, Buchenfurnierschichtholz oder Stahl gefertigt. (Quelle: MHM Entwicklungs GmbH)

Zur Aussteifung des Gebäudes werden dementsprechend nur die Massivholzelemente zwischen den Wandöffnungen herangezogen. Dabei fungieren die Elemente je nach Belastung als Platte oder Scheibe. Im Bereich großer Glasfronten und Gebäudeseiten mit wenig Wandscheiben werden – ähnlich wie bei Brettsperrholz – andere Gebäudestrukturen, zum Beispiel Treppenhäuser, herangezogen. Das geschieht normalerweise über die Deckenscheibe, die das aussteifende Treppenhaus mit der Gebäudeseite mit großer Glasfront oder wenigen Wandscheiben verbindet.

Kein Problem für Zimmerleute

Die Massivholzelemente werden in der Abbundhalle vorgefertigt und dabei teilweise schon mit Ausfräsungen für die Installation oder komplett mit Dämmung oder Bekleidungslagen für den Brandschutz versehen. Mit der Montage von „Haus 2020“ wurde ebenfalls Mayr & Sonntag in Legau beauftragt.

Die luftdichten Anschlüsse der Bauteile untereinander können zum einen über vollflächig auf der Massivholzmauer verlegte diffusionsoffene Luftdichtheitsbahn erfolgen. An diese werden sämtliche weiteren luftdichten Ebenen angeschlossen, etwa das Fundament, die Fenster oder die Dachkonstruktion. Weiterhin ist es möglich, dass die Luftdichtheitsbahnen zunächst die Wandstirnseiten während der Montage vor Feuchtigkeit schützen und anschließend für die Luftdichtheit zwischen den Bauteilen sorgen. Dafür wird der außenliegende Teil der Bahn vom unteren Wandelement am Geschossstoß über die Deckenstirnseite auf die Innenseite des Wandelements im nächsten Geschoss geschlagen und mit der luftdichten Ebene des Wandelements – Trockenbauplatten auf der Wandinnenseite – verbunden. Der luftdichte Anschluss erfolgt durch Einklemmung der Bahn mit der Trockenbauplatte und der Massivholzwand. Eine Allgemeine Bauartgenehmigung für diese Entwicklung soll folgen.

Foto der Baustelle, das zeigt, wie eine Folie an der Außenseite der Außenwände aus Massivholzelementen angebracht ist.
Als Witterungsschutz der Elemente dienen während der Montage die Luftdichheitsfolien. (Quelle: Dr. Joachim Mohr)

Die Schub- und Zugverankerung auf der Bodenplatte erfolgt wie gewohnt über eine Montageschwelle und eine Zugverankerung; Eckverbindungen werden über eine diagonale Verschraubung hergestellt.

Foto eines Wandelements auf der Baustelle
Das Haus wurde mit 200 mm dicken Wänden erstellt. Bauseits kam eine 140 mm dicke Holzfaserdämmung hinzu. (Quelle: MHM Entwicklungs GmbH)

Für die Deckenauflager gibt es eine Variante mit vollflächig aufliegenden Decken und eine zweite, bei der die Decke in einer Ausklinkung des unteren Wandelements liegt. Diese hat den Vorteil, dass die Setzungen im Gebäude geringer sind, weil die senkrechten Lasten nicht ausschließlich vom liegenden Holz in der Decke, sondern teilweise auch von stehenden Holzschichten im Wandelement aufgenommen werden. Als Decken können die Planenden Brettsperrholz- oder Brettstapelelemente, Balkendecken, Hohlkastendecken und selten auch Betondecken einsetzen. Die Verbindung zu den Wänden erfolgt über Diagonalverschraubungen.

Wärme-, Brand- und Schallschutz

Da das Bausystem im gesamten europäischen Binnenmarkt vertreten ist, ist die Grundlage seiner Zulassung eine Europäische Technische Bewertung (ETA 15/0760), in der unter anderem ein λ-Wert der Massivholzbauteile hinterlegt ist, der mit 0,11 W/(mK) den λ-Wert von anderen Massivholzprodukten etwas unterschreitet. Grund für die bessere Bewertung sind die Luftnuten im Bauteil, die die Dämmwirkung leicht erhöhen.

Beim Brandschutz arbeitet der Hersteller mit allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnissen und allgemeinen Bauartgenehmigungen. Verschiedene unverkleidete Wandkonstruktionen erfüllen die Anforderungen an F30 oder F60. Feuerwiderstandsklasse F90 für Gebäudeabschlusswände in GK3 oder Wohnungstrennwände in GK5 erreicht man mit 15 mm GKF-Verkleidung. Außerdem wurden Wände geprüft, die in GK4 anstelle einer Brandwand eingesetzt werden können, etwa eine fünflagige Massivholzwand mit beidseits 12 mm GKF, die die Feuerwiderstandsklasse F60 B+M erreicht. Länderspezifische Anforderungen sind immer dabei zu beachten.

Auch in puncto Schallschutz existieren geprüfte Konstruktionen für Innen- und Außenwände. Weiteren Prüfberichten oder einem Schallschutzkatalog kann entnommen werden, wie sich der Schallschutz einer Wand bei anderer Beplankung verändert.

Rainer König, Geschäftsführer des Bausystementwicklers, erwähnt dabei die Stoßstellen: „Weil das MHM-Wandsystem wegen der Nagelverbindung etwas weicher ist als etwa BSP und den Schall besser dämpft, lassen sich diese oft ohne Dämpfungslager ausführen.“ Dementsprechend befinden sich die Elastomerlager beim „Haus 2020“ nur unterhalb der Trennwände, während im Bereich der Außenwände nur ein Niveauausgleich erforderlich war.

Die Schallschutzanforderungen an die Außenwände der Wohnanlage in Leutkirch waren relativ gering und ließen sich mit den vorhandenen Prüfberichten abdecken.

Etwas komplizierter war der Entscheidungsprozess bei den Wohnungstrennwänden.

Querschnitt von drei verschiedenen Wohnungstrennwänden mit unterschiedlichen Schichtaufbauten.
Das Architekturbüro schwankte bei der Ausführung der Wohnungstrennwände zwischen einer einschaligen Variante mit beidseitiger Vorsatzschale (Mitte, F60-B + M und Rw 74 dB) und einer zweischaligen Konstruktion mit Hohlraum und einfacher GKF-Beplankung. Schließlich entschied es sich für die zweischalige Variante (rechts, F30-B und Rw 67 dB) und für das Treppenhaus für einschalige Wände mit raumseitiger Vorsatzschale (links, F60-B + M und Rw 61 dB). (Quelle: MHM Entwicklungs GmbH)

Am Ende entschied man sich aus praktischen Erwägungen für eine zweischalige Variante, weil sie etwas schlanker ist, die Deckenelemente als Einfeldträger sich besser auflagern lassen und sie den solideren Untergrund für die Montage von Küchenzeilen bietet. Zum Treppenhaus hin kamen einschalige Wände mit raumseitiger Vorsatzschale zum Einsatz.

Vom Ingenieurbüro Blödt (Kohlberg) durchgeführte Schallmessungen ergaben einen Trittschallwert L' n,w von 28 dB und 32 dB. Unter Einbezug des Spektrum-Anpassungswerts C I 50-2500 stieg er um etwa 11 dB an – Werte, die unter der vom Informationsdienst Holz definierten Klasse „Komfort“ liegen.

zuletzt editiert am 17. Oktober 2025