Das Holzbauunternehmen Blumer Lehmann hat ihr neues Empfangs- und Bürogebäude in Gossau/Schweiz „Stammhaus“ genannt. Der Name geht auf eine markante Freiform-Treppe im Atrium zurück, deren organische Form an einen Baumstamm erinnert und die vom ICD der Universität Stuttgart entworfen wurde.
Herzstück des fünfgeschossigen Gebäudes ist ein skulpturales Atrium mit freigeformter Treppe, das vom Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) der Universität Stuttgart entworfen wurde. Das Atrium entwickelt sich aus der präzisen Anordnung und Verschneidung gekrümmter Brettsperrholzelementen, die den Treppenlauf integrieren, die verschiedenen Ebenen des Gebäudes zusammenführen, Ein- und Ausblicke ermöglichen, Alkoven ausbilden und so eine charakteristische räumliche Qualität entstehen lassen. Das Projekt führt computerbasierte Planungsmethoden, digitale Fertigung und handwerkliche Holzbaukunst zu einer architektonischen Synthese, die die zukunftsweisenden Möglichkeiten des traditionellen Bauwerkstoffs Holz auf eindrückliche Art räumlich erfahrbar werden lässt. Das Gesamtgebäude mit 180 Büro-Arbeitsplätzen, Veranstaltungsraum und Cafeteria wurde von K&L Architekten aus St. Gallen geplant.
Architektonische Integration gekrümmter Holzelemente
Das Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) und die Holzbaufirma Blumer Lehmann verbinden eine langjährige Zusammenarbeit an verschiedenen Forschungs- und Bauprojekten. Für den Entwurf des Atriums des neuen Hauptsitzes der Firma konnte auf vorherige Erkenntnisse im Bereich der gekrümmten Brettsperrholzkonstruktionen aufgebaut und diese mit Blick auf die komplexen räumlichen und strukturellen Anforderungen dieses Projekts hin erweitert werden. Die fünf Stockwerke des Gebäudes werden von einer frei geformten Treppe durchdrungen. Diese bildet zugleich eine vertikale Erschließungszone und einen identitätsstiftenden Kommunikationsraum aus. Das gebäudehohe Atrium wird durch gekrümmte Brettsperrholzelemente als raumbildende Flächen und tragende Struktur gefasst. Die Anordnung und Verschneidung der Holzelemente reagieren auf architektonische und konstruktive Anforderungen.

Im bewussten Kontrast zu der gerasterten Struktur des Gesamtgebäudes entfalten die sich nach oben hin verjüngenden Flächen des Atriums unterschiedliche räumliche Qualitäten. Nach außen hin formen die gekrümmten Holzsegmente konvexe, geradezu textil anmutende Wandflächen. Zum zentralen Luftraum hin artikuliert die präzise Verschneidung der gekrümmten Elemente eine Abfolge geschwungener Grate, die sich vertikal durch die Geschosse ziehen und im einfallenden Tageslicht als plastisches Relief hervortreten. Die Anordnung der Holzsegmente integriert dabei den Treppenlauf, eröffnet verschiedenartige Ein- und Ausblicke und bildet Alkoven und Balkone aus, die das Atrium mit den umliegenden Geschossebenen in räumliche Wechselwirkungen zueinander setzen.
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Computerbasierter Entwurf und materialgerechte Konstruktion
Die gekrümmten Holzelemente übernehmen zugleich auch eine integrale tragende Funktion. Dank ihrer Krümmung erreicht die Struktur eine außergewöhnliche Steifigkeit, die einen Wandaufbau von gerade einmal 130 mm ermöglicht. Trotz dieser minimalen Materialstärke gewährleistet die Struktur die Lastabtragung über fünf Geschosse hinweg und trägt sowohl die Treppenanlage als auch die angrenzenden Geschossdecken und die darüberliegende Dachstruktur. Die Verwendung von gekrümmten Bauteilen mit lediglich zwei unterschiedlichen Radien sowie die Wiederholung identischer Treppenmodule trägt ebenfalls zur konstruktive Effizienz bei.Die präzise Balance räumlicher, konstruktiver, statischer und fertigungstechnischer Aspekte des Atriums stellen eine besondere Herausforderung für den Entwurf dar. Bereits minimale Variationen in der Neigung der gekrümmten Holzelemente zueinander führen zu signifikanten Veränderungen der Verschneidungskurven und bestimmen, wie sich die Elemente in der Gesamtstruktur zueinander verhalten. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, kommt eine integrative, computerbasierte Entwurfsmethode zum Einsatz, die auch in späten Phasen noch flexibel auf neue Erkenntnisse und Planungsfortschritte reagieren kann. So wird die Komplexität der Struktur durch computerbasierte Methoden präzise gesteuert und verbindet Planung, digitale Fertigung und handwerkliche Holzbaukunst in einem integrativen Ansatz.

Projektteam
ICD Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung
Prof. Achim Menges, Martin Alvarez, Laura Kiesewetter, David Stieler,Dr. Dylan Wood
Mit Unterstützung von:
Edgar Schefer, Lena Strobel, Alina Turean
Blumer Lehmann AG
Katharina Lehmann, Martin Looser, David Riggenbach, Ursula Frick, Bertie Hipkin, Benedikt Schneider
K+L Architekten
Thomas Lehmann, Johanna Deinet
SJB Kempter Fitze AG (Ingenieure)
Stefan Rick