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Die Aufsicht zeigt die ersten fertiggestellten Kronenelemente vor der Montage des Trägerrosts und des Vordachs. Bis zur Fertigstellung folgten noch 24 weitere Elemente. Bilder: Blumer-Lehmann AG

Technik 2011-01-21T00:00:00Z Sonderbau: Freiheit und Perfektion im Holzbau

Der Architekt Shigeru Ban entwarf für einen südkoreanischen Golfclub eine komplexe Dachkonstruktion aus Holz. Das Holzbauunter-nehmen Blumer-Lehmann aus der Schweiz konstruierte und baute das Dach aus ein- und zweifach gebogenen BS-Hölzern in nur wenigen Monaten.

Hasley-Nine Bridges in Yeoju, Südkorea, ist ein Golfklub der Superlative. Für die Mitglieder des Golfklubbetreibers Hasley entwarfen die Architekten Shigeru Ban aus Tokio und Kevin S. Yoon aus Seoul ein Klubhaus. Die Auftraggeber wünschten, dass dieses Herzstück der 18-Loch-Anlage durch seine Einzigartigkeit bestechen sollte. In drei Ebenen erstrecken sich 21 Bäume bis zum schneeweißen Himmel und tragen eine Dachfläche von 36 auf 72 Meter. Das zweiseitige, die Last abtragende Astgeflecht der Kronen verläuft bis in das 4,50 Meter auskragende Vordach. Wie in der Natur, so ist auch bei diesem Kronengeflecht kein Stab gerade, und alle Oberflächen sind einfach und zum großen Teil zweifach gekrümmt. Auf den Kronenelementen ruht ein Trägerrost mit Haupt- und Nebenträgern, in das 21 Oberlichter mit einem Durchmesser von 3,00 Metern integriert sind. Den oberen Abschluss der Holzkonstruktion bildet eine Dreischichtplatte.

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Im Juni 2008 wurde durch Hermann Blumer vom Tragwerksplanungsbüro Création Holz, Herisau, das statisch-konstruktive Lösungskonzept erarbeitet. Eine Delegation koreanischer Architekten und Baufachleute überzeugte sich kurz darauf in der Schweiz, ob die Firma Blumer-Lehmann AG eine solch außergewöhnliche Dachkonstruktion in der erforderlichen Zeit planen, produzieren und ausführen kann und möchte. Knappe zwei Wochen später dann die Anfrage zur Erstellung eines Angebots für die Entwicklung, Planung und Erstellung des Holzbauwerks. In ein paar Tagen wurde anschließend aus den Konzeptplänen eine zweifach gekrümmte Dachkonstruktion in Korea gerechnet und angeboten.

Eine komplexe Geometrie, ein vernetztes, zweiseitig lastabtragendes Tragwerk, Präzisionsanforderungen in der Maschinentechnik, ein Terminplan, der keinen Spielraum zum Nachdenken zulässt und eine Baustelle, die etwa 8.000 km entfernt ist. Das waren ziemlich viele Herausforderungen auf einmal. Denen stellte sich ein Team von Spezialisten, die wussten, dass jeder einen Teil zum Projekterfolg beitragen konnte. „Ich wusste, dass ich meine Arbeit in dieser kurzen Zeit erledigen konnte“, schilderte Franz Tschümperlin, verantwortlicher Ingenieur des Büros SJB, das die Tragwerksplanung erstellte, „wie jedoch meine Kollegen die bevorstehenden Herausforderungen meistern sollten, war mir zum Zeitpunkt des Projektstarts schleierhaft.“

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Die Zimmerer setzen ein Dachelement des Typs 4 auf vier Bäume auf. Dabei fuhren sie in 24 Schlitzbleche gleichzeitig ein.

Die Produktion, das Dreimaldrei des CNC-Abbunds

Produziert wurden die 3.500 Bauteile auf einer fünfachsgesteuerten CNC-Anlage. Mit dieser Anlage war es möglich, die Freiformflächen in der notwendigen Präzision zu fertigen. Die Aufarbeitung der geometrischen Angaben zu maschinentauglichen Daten erforderte sehr viel Zeit. Sowohl die Programmierer als auch die Maschinisten waren drei Monate lang in drei Schichten beschäftigt. Hier zeigt sich auch weiteres Potenzial für die Holzbaubranche. Bei Schnittstellen und Datenübergaben in der Arbeitsvorbereitung und Produktion sind noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Es gilt praxistaugliche Arbeitsmittel zu erarbeiten, die die Werkzeuge im Holzbau leistungsfähiger machen.

Südkorea weist im Januar Temperaturen von 15 °C auf. Unerlässlich für die Verleimung der Bauteile vor Ort war deshalb ein konstantes, verleimgerechtes Klima mit den notwendigen Temperaturen und Luftfeuchten. Dies wurde mittels eines beheizten Zelts sichergestellt. Zuerst wurden die Bauteile pro Element vorsortiert (bis zu 138 Stück pro Element). Anschließend wurden die fünf Lagen auf einer Schablone aufgebracht, statisch verbunden und vormontiert.

Zur Verbindung der einzelnen Bauteile in den Elementen kamen Schäftungen und Ausblattungen zum Einsatz. Durch dieses Verbindungskonzept konnte sichergestellt werden, dass die Bauteile an allen Stellen in der Konstruktion zusammengefügt werden konnten. Für die Tauglichkeit der Verbindungen wurden Versuchsreihen an der Prüfanstalt der Berner Fachhochschule in Biel lanciert. Aus diesen ergaben sich dann die Maßnahmen für die Handhabung der Verleimungen. Wie die Oberflächen des Holztragwerks waren auch die Oberflächen in den Verbindungen nicht planar. Die Kontaktflächen in den Ausblattungen waren ausnahmslos doppelt gekrümmte, sogenannte HP-Flächen, auch hyperbolisches Paraboloid genannt. Einzig die Verbindungen der „Stämme“ zu den „Kronen“ und der Elemente untereinander waren Stahl-Holz-Verbindungen. Auch hier waren die Ansprüche an die Passgenauigkeit sehr groß, denn in der dritten Gebäudeebene waren die Verbindungen auf Augenhöhe, und die Dachkonstruktion sollte sich wie ein Möbelstück in den Restaurantbereich einfügen.

Die Montage war als letzter Schritt ebenso speziell wie alle anderen Aufgaben an diesem Projekt. Ein flächiges Gerüst auf den verschiedenen Ebenen war sehr hilfreich. Das Einmessen der doppelt gekrümmten Bauteile auf drei Ebenen mit insgesamt 10 m Höhenunterschied war dadurch jedoch ein erschwertes Unterfangen. Die koreanischen Methoden des Einmessens waren sehr traditionell. Deshalb einigten sich Holzbauer und Auftraggeber auf eine doppelte Kontrolle.

Das Setzen der Stahlschuhe, das Aufrichten der Bäume und das Versetzen der Kronenelemente funktionierte von Mal zu Mal besser. Für die Montage der Kronenelemente galt es, in 24 Schlitzbleche gleichzeitig einzufahren. Bei dem Versetzen der Kronen machte sich die Präzision aus Planung, Produktion und Vormontage deutlich bemerkbar. Mit der Grundfläche eines kleinen Einfamilienhauses in oberflächenfertiger Qualität in 24 Schlitzbleche gleichzeitig einzufahren war eine Herausforderung für das Montageteam. Der Kranführer, ein koreanischer Spezialist, versetzte den Funkanweisungen gemäß die Elemente mit einem Obendreher-Baustellenkran. Die Montage des Trägerrosts, der Pfetten, Lichtkuppeln, Dreischichtplatten und des Vordachs erfolgte Schritt um Schritt.

Planung ohne EDV nicht denkbar

Ohne architektonische Ambitionen, gute Ideen, ein Netzwerk von starken Partnerfirmen, unser eigenes, motiviertes Team, leistungsfähige Software, funktionstüchtige Schnittstellen und präzise Maschinentechnik wäre ein solches Bauwerk nicht möglich geworden. Die Ideen zur Umsetzung der architektonischen Visionen werden aus jahrelanger Erfahrung und gedanklicher Freiheit geboren. Starke Partner, die uns in ihren Spezialbereichen viel Mehrwert bieten, stehen uns zur Seite. Die Maschinentechnik im Holzbau ist bereit für die Dimension der freien Formen. Jedoch müssen die Arbeitsmittel CAD/ CAM verbessert werden und die Schnittstellen unter den Softwarelösungen angepackt werden. Hier liegt viel Potenzial brach und eine große Chance für den Holzbau, Arbeitsabläufe sicherer, einfacher und effizienter zu gestalten. Holz hat im Gegensatz zu anderen konstruktiven Werkstoffen wesentliche Vorteile in diesen Tragwerksstrukturen.

Martin Antemann

M. Eng. Martin Antemann ist Bereichsleiter Gesamtleistung bei der Blumer-Lehmann AG im schweizerischen Gossau.

Daten und Fakten zum Projekt

Leistung Blumer-Lehmann AG

Entwicklung, Planung, Statik, Produktion, Vormontage, Montage der Dachkonstruktion

Projektzeitrahmen

Juli 2008 Februar 2009

Brettschichtholz

315 m³ doppelt gekrümmtes Brettschichtholz

215 m³ gerades Brettschichtholz

Stahl

21 t für Grundplatten und Verbindungsmittel,

8 t für Stahlträger

Grundfläche

36,00 m × 72,00 m

Grundraster

9,00 m × 9,00 m

Anzahl Stützen

21 „Bäume“

Dachelemente

32 Kronenelemente aus 5 verschiedenen Typen

Kronenelemente

3.500 Bauteile

14.200 Laufmeter Trägerlänge

14.824 Blattverbindungen

bis zu 3.640 Abschnitte pro Element

zuletzt editiert am 07. Oktober 2025